Unter dem Titel „ und wenig ist von Dauer“ berichtete Sonntag Aktuell am heutigen 27. Juli 2014 über das Bestreben von Politikern sich durch Nachlassverwaltung und Memoiren im kulturellen Gedächtnis zu verankern. Es wird versucht, die Deutung der Amtszeit vorzugeben und einen dauerhaften politischen Beitrag eines politischen Lebens für die Zukunft zu konstruieren.
Aber nicht nur auf Bundesebene erliegen Helmut Kohl, Willy Brandt und ihre Ehefrauen diesem Drang sich zu inszenieren und zu verewigen, auch auf kommunaler Ebene kann man das beobachten: Der Remsecker Oberbürgermeister Karl-Heinz Schlumberger versucht in seinen letzten Amtswochen sich als der „Brückenbringer“ in die Geschichtsbücher Remsecks zu schreiben – ein Versuch, der leider scheitert.
Kurz nach der Sommerpause wird OB Schlumberger nach 16 Jahren im Amt in den Ruhestand verabschiedet. Kurz vor der Sommerpause lud Landesverkehrsminister Winfried Hermann am 21. Juli endlich zur Präsentation des „Verkehrsmanagementkonzept für den Raum nördlich Stuttgart“ ins Ministerium. Eingeladen waren ursprünglich die betroffenen Oberbürgermeister und die mit Verkehrspolitik befassten MdBs und MdLs. Am 11. Juni hatte auch ich als Regionalrat und Fraktionsvorsitzender in der Regionalversammlung eine Einladung beim Ministerium erwirkt (Aufgrund meiner Initiative wurden dann alle Fraktionsvorsitzenden eingeladen). OB Schlumberger klappte merklich die Kinnlade herunter, als er mich sah. Eine Inszenierung der Veranstaltung zum Schluss der Amtszeit ohne Remsecker Zeugen war nun nicht mehr möglich. Laut einem Leserbrief in der LKZ vom 26.7. wurde der neu gewählte Remsecker OB Dirk Schönberger bewusst nicht zur Veranstaltung eingeladen – ein Hinweis darauf, dass der Noch-Amtsinhaber die alleinige Deutungshoheit über die Veranstaltung haben wollte.
Wie OB Schlumberger die Veranstaltung versteht, kann man im Remsecker Amtsblatt vom 24.7. nachlesen: Seit 15 Jahren treibe Remseck das Projekt „Neue Mitte“ voran und könne durch die am 21.7. erfolgte Zusage des Verkehrsministers für die Westrandbrücke nun endlich durchstarten mit den Planungen! Wenn es so wäre, wäre es wirklich ein schöner Abschluss einer 16jährigen Amtszeit als OB. Es ist menschlich verständlich, dass sich der OB so inszenieren möchte.
Doch leider habe ich an einer ganz anderen Veranstaltung am 21.7. teilgenommen: Winfried Hermann und seine Verkehrsexperten haben genau dasselbe gesagt wie auf einer Pressekonferenz vor einem Jahr. Schon damals berichtete die LKZ am 26.7.2013: „Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hat der Stadt Remseck den Bau einer neuen Neckarbrücke bei Aldingen in Aussicht gestellt“. Außerdem wurden alle kleineren verkehrsverbessernden Maßnahmen (Spuränderungen an Kreuzungen etc.), die am 21.7. angesprochen wurden, in dieser Form auch schon vor 12 Monaten genannt. Der einzige Mehrwert der Veranstaltung am 21.7.2014 war, dass erstmals Aussagen über die Finanzierung einer neuen Neckarbrücke gemacht wurden. Der Verkehrsminister sprach auf der Veranstaltung von einer „Teilung der Kosten, d.h. 50:50 zwischen Land und Remseck“. Seine Nachfrage bei den Mitarbeitern, ob eine Gesamtrechnung des Projekts vorliege, ergab ein klares „Nein“. Im verbalen Pingpong vor Publikum einigte man sich dann darauf, dass 20 Millionen Euro wohl eine realistische Größenordnung sei. Die niederschmetternde Botschaft der Veranstaltung am 21. Juli im Verkehrsministerium lautet also: Remseck soll 10 Millionen Euro für eine Brücke zahlen, die Remsecks Probleme nicht löst! 10 Millionen Euro, die Remseck nicht hat. Da genügt schon ein Blick in den städtischen Haushalt 2014: Der Remsecker Kämmerer hat im Dezember 2013 unter der damaligen Voraussetzung, dass das Land die Kosten für eine neue Neckarbrücke übernimmt, geschrieben: Es bestehe ein hoher „Finanzierungsbedarf für lange vorbereitete Maßnahmen (gemeint ist die Neue Mitte). Im Investitionsprogramm bis zum Jahr 2017 sind Ausgaben für Baumaßnahmen von 19,600 Mio. € enthalten. Die eigenen Mittel reichen zur Finanzierung dieser Ausgaben … nicht aus. Die Vorhaben lassen sich nur umsetzen, wenn von dem bisher seit 1997 eingehaltenen Kurs, keine Darlehensaufnahme für den städtischen Haushalt zu tätigen, abgewichen wird“ (Vorbericht, S.44). Auf gut Deutsch: Schon bei Investitionen von durchschnittlich knapp unter 5 Mio. Euro pro Jahr muss Remseck den Weg in die Verschuldung gehen. Wie sollen da 10 weitere Millionen Euro Platz finden? Diese Botschaft kann nicht als abschließender Erfolg einer Amtszeit gefeiert, sondern nur als Katastrophe bezeichnet werden.
Aber nicht nur bezüglich der späteren OB-Inszenierung war die Teilnahme an der Veranstaltung für mich interessant. Hinsichtlich zweier Punkte weicht die Presseerklärung des Ministeriums nach der Veranstaltung auch deutlich vom gesprochenen Wort ab: Sprach der Verkehrsminister noch von einer wirklichen Teilung der Kosten bei der Brücke, ist in der Pressemitteilung der Minister mit Worten zitiert, die er in der Veranstaltung gar nicht gesagt hat: „“Wir sind bereit, uns in dem Umfang an den Kosten zu beteiligen, die für die Arbeiten an der bestehenden Brücke kalkuliert wurden.“ (Ministerzitat Ende) Allerdings müsse die Stadt die erforderlichen Netzanschlüsse einer neuen Neckarquerung, die sogenannte Westendstraße (sic), finanzieren.“ (Zitat Pressemitteilung Ende, kompletter Text hier). Ich spekuliere jetzt über den Hintergrund dieser Abweichung: Für mich wirkte der Minister wenig vertraut mit dem Vorgang und machte seinen „Teilungsvorschlag“ aus dem hohlen Bauch. Den Mitarbeitern des Ministeriums blieb möglicherweise das Herz fast stehen und nach der Veranstaltung wirkten sie auf den Minister ein, dass dies ein viel zu hoher Landesanteil sei. Die dann gefundene Formulierung setzt die Kosten für Remseck deutlich über der Hälfte an und schlägt auch noch die Anschlusskosten der Brücke Remseck zu. Nach der Pressemitteilung sind wir also eher bei über 20 als 10 Millionen Euro, die an Remseck hängen bleiben. Das ist eine für Remseck völlig undenkbare Größenordnung.
Die zweite Abweichung zwischen Veranstaltung und Pressemitteilung liegt in der Bedeutung der Brückenmaßnahme für die Region. Am 21.7. wurde betont, dass der Bau der Westrandbrücke in Remseck keine Auswirkungen auf den Verkehr in der Region habe. Lediglich Fellbach-Oeffingen müsse am Rand 3000 Fahrzeuge am Tag mehr verkraften – mehr ändere sich nicht. Keinerlei Auswirkungen auf die Region, keine Betroffenheit der Nachbarkommunen vom Brückenbau war die Botschaft. So argumentierte der vom Ministerium beauftragte Verkehrsplaner Dr. Frank Gericke von Modus Consult, Karlsruhe und der Minister unterstrich diese Botschaft zur Beruhigung der anwesenden OBs von Fellbach und Kornwestheim noch deutlich. In der Pressemitteilung ist aber zu lesen: Mit dem Vorschlag der Brücke „soll die problematische Verkehrssituation in Remseck und der Region verbessert werden.“ Auch hier spekuliere ich über die Hintergründe: Nach der Landtagswahl 2011 stoppte der neue grüne Verkehrsminister die Planungen zur Andriof-Brücke (Neckarquerung zwischen Aldingen und Mühlhausen), die eine große regionale Lösung der Verkehrsprobleme um Remseck darstellte. Da er eine ersatzlose Streichung nicht öffentlich vertreten konnte, gab er eine Suche nach Alternativplanungen in Auftrag. Vorbedingung war aber, dass kein Planungsbüro damit beauftragt werden durfte, das an den Planungen zur Andriof-Brücke beteiligt war. Die Wahl des grünen Ministeriums fiel auf Modus Consult. Zeitgleich führte die Stadt Remseck einen städtebaulichen Ideenwettbewerb „Neue Mitte“ durch. Das Preisgericht des Wettbewerbs kürte am 17. September 2011 den gemeinsamen Entwurf von Thomas Schüler Architekten (Düsseldorf), faktorgrün Landschaftsarchitekten (Freiburg) und Modus Consult (Karlsruhe) zum Sieger des städtebaulichen Wettbewerbs. Modus Consult arbeitet seitdem für den Landesverkehrsminister und gleichzeitig für die Stadt Remseck. Modus Consult hat seitdem natürlich ein starkes wirtschaftliches Interesse seinen Remsecker Entwurf umzusetzen. „Beruhigungspillen“ für kritische Nachbarkommunen gehören da mit zum Programm. Der Verfasser der Pressemitteilung im Ministerium hat sich dann aber wohl daran erinnert, dass es hier für ein Landesministerium eigentlich um eine regionale Verkehrsverbesserung gehen muss. Schließlich wurde ja eine Ersatzlösung für die Andriof-Brücke beauftragt. Zuzugeben, dass diese nun gerade nicht vorgelegt wurde, ist offensichtlich zu peinlich. Also schreibt man von Verkehrsverbesserungen für „Remseck und der Region“.
Mein Fazit: Der 21.7. war ein Schwarzer Tag für Remseck. Die Finanzlasten einer Neckarquerung mit fünf Landesstraßen der Stadt Remseck aufzulasten, ist indiskutabel. Wenn eine Westrandbrücke gebaut wird, dann ist sie in ihrem überwiegenden Teil vom Land zu finanzieren und kann nur ein erster Schritt zu einer großen Lösung sein, die „Zweite Brücke“ zwischen Aldingen und Mühlhausen heißen muss (Siehe hierzu meine Artikel hier und hier). Die Westrandbrücke als Solitär zementiert den Verkehr in Remsecks Mitte und macht eine Entwicklung einer Neuen Mitte gerade nicht sinnvoll möglich: Wer zieht neben eine Straße mit dann bald 40.000 Fahrzeugen am Tag mit sehr hohem Schwerlastanteil? Wer will sich diesen Immissionen aussetzen?
Wenn überhaupt, kann ich mir eine Zustimmung zu einem Konzept Westrandbrücke nur unter zwei Bedingungen vorstellen: 1. Das Land übernimmt den größten Teil der Kosten. 2. Der Korridor für die Nordost-Umfahrung Stuttgarts zwischen Aldingen und Mühlhausen bleibt im Bundesverkehrswegeplan und im Regionalverkehrsplan erhalten (Der Landesverkehrsminister setzt allerdings alles daran, diesen zu streichen), damit in einem zweiten Schritt der regionale Verkehr von der Westrandbrücke abgezogen wird.
Gibt es noch etwas Positives vom 21.7. zu berichten? Ja, durchaus! Das Planungsbüro Modus Consult berichtete, dass durch ÖPNV-Maßnahmen keine Verbesserungen der verkehrlichen Situation mehr zu erreichen seien. Das sei den Grünen ins Stammbuch geschrieben, die in der Vergangenheit immer wieder eine zukünftige Stadtbahn Ludwigsburg-Waiblingen gegen die neue Neckarbrücke ins Feld geführt haben. Außerdem teilte Modus Consult mit, dass die Signalanlagen an den entscheidenden Verkehrskreuzungen bereits optimiert seien, hier also nichts mehr zu verbessern sei. Das sei wiederum dem Fellbacher Gemeinderat ins Stammbuch geschrieben, der in der Vergangenheit die Theorie aufgestellt hat, die Remsecker würden die Ampelschaltung manipulieren, um künstlich einen Stau zu erzeugen. Vielleicht kommen wir dieses Jahr nun ohne dieses Sommerlochthema durch.
„Es kommt nicht darauf an, was einer gemacht hat, sondern wie es dargestellt ist“, schreibt heute Sonntag Aktuell über die memoirenschreibenden Politiker. Dieser Satz gilt auch für amtierende Oberbürgermeister und Verkehrsminister.
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