Am 25. Oktober 2023 habe ich nachfolgende Rede in der Regionalversammlung gehalten:

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

es kommt nicht oft vor, aber beim Thema Windkraft ist die FDP-Regionalfraktion äußerst unzufrieden, wie ein hochbrisantes Thema bisher von der Sitzungsleitung und in unseren Gremien behandelt worden ist.

Wir sind vor allem unzufrieden damit, dass die nichtöffentlichen Sitzungen des Planungsausschusses quasi stillschweigend für die Einführung eines „Vorsorgeabstandes“, wie der frühere „Mindestabstand“ jetzt heißt, von 800 Metern genutzt worden sind. Es ist bekannt, dass unsere Fraktion diesen in unserer dichtbesiedelten Region bei künftig mehr als fernsehturmgroßen Windrädern als viel zu gering erachtet. Wir haben das in den Sitzungen auch sehr deutlich gesagt.

Um es kurz zu machen: Die FDP-Regionalfraktion ist nicht gewillt, dieses Vorgehen mitzutragen. Für uns wäre ein Vorsorgeabstand von 1.000 Metern das Mindeste, wenn dieser aufgrund der inzwischen geltenden gesetzlichen Vorgaben möglich wäre. Da die Geschäftsstelle sagt, dass damit das 1,8-Prozent-Ziel, dass Bund und Land vorgeben, nicht erreichbar wäre, sind wir bereit, einen Vorsorgeabstand von 900 Metern mitzutragen. Wir müssen aber darauf pochen, dass wir die Möglichkeit einer Entscheidung haben.

Deswegen haben wir uns dazu entschlossen, zu diesem Tagesordnungspunkt einen Änderungsantrag zum Beschlussvorschlag einzubringen. Und wir verweisen zu Begründung auf die Ihnen vorliegende Beratungsunterlage. Die Geschäftsstelle siedelt darin den Vorsorgeabstand bei ihrer Interpretation der gesetzlichen Vorgaben bei 800 Metern an und nennt auf Seite 3 ihrer Sitzungsvorlage eine daraus errechnete Flächenkulisse von 95 Quadratkilometern gleich 2,6 Prozent der regionalen Gesamtfläche, die damit zu erreichen wäre. Ein Vorsorgeabstand von 900 Metern würde 2,4 Prozent der Gesamtfläche ergeben und damit einen immer noch deutlichen „Sicherheitspuffer“ für die Planung zum Erreichen des von der Gesetzgebung vorgegebenen 1,8 Prozent-Zieles schaffen.

Wir bedauern, dass die Verwaltung diesen Vorsorgeabstand nicht in ihre Sitzungsvorlage aufgenommen hat. Wir stellen außerdem fest, wenn 900 Meter ausreichen, um das Planziel zu erreichen, wären 800 Meter eine willkürliche Festlegung zum Schaden der betroffenen Menschen.

Das kann keiner von uns wollen. Das würde auch zu vollkommen überflüssigen Verschwörungstheorien und kritischen Betrachtungen führen. Wir werden es auch so mit einer öffentlichen Diskussion zu tun bekommen, die sich gewaschen haben wird, da sollten wir uns keine Illusionen machen.  Deswegen sollten wir für höchstmögliche Transparenz sorgen und sofort damit anfangen.

Der ganze Vorgang ist auch deshalb äußerst ärgerlich, weil die Sitzungsleitung und die Geschäftsstelle die Möglichkeit des § 20 Abs. 3 des Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz Baden-Württemberg (KlimaG BW) nicht nur nicht genutzt, sondern geradezu bei den Beratungen unterschlagen hat – siehe Seite 1 der Vorlage: Dort wird behauptet, das Gesetz weise jeder Region 1,8 Prozent zu. Ich zitiere aber nachfolgend aus dem § 20 Abs. 3 des Gesetzes – eine Regelung, die in der Vorlage unterschlagen wird: „Es können vertragliche Vereinbarungen geschlossen werden, mit denen sich eine Region gegenüber einer anderen Region verpflichtet, mehr Fläche als gemäß Absatz 1 erforderlich (Flächenüberhang) für die Windenergie auszuweisen. Sobald entsprechende Gebietsfestlegungen getroffen wurden, kann der Flächenüberhang der einen Region auf der Grundlage der vertraglichen Vereinbarung nach Satz 1 der anderen Region für die Zielerreichung nach Absatz 1 angerechnet werden.“ Fazit: Frühzeitig eingetütet, hätte man somit großflächige und dünnbesiedelte Regionalverbände mit mehr Gebieten ausstatten können und die Region Stuttgart mit entsprechend weniger. Das wurde nach den heutigen Ausführungen von Herrn Kiwitt gar nicht versucht, weil das angeblich von vornherein aussichtslos sei. Wer nichts versucht, hat schon verloren, können wir da nur sagen. Der Gesetzgeber hat diese Option ja wohl geschaffen, weil sie möglich ist. Aufgrund der Fertigstellungsfrist des Regionalplans Ende nächsten Jahres ist dieser Zug jetzt leider aber sowieso abgefahren. Aufgrund dieses Versäumnisses müssen jetzt alle Regionalverbände unabhängig von ihrer Raum- und Besiedlungsstrukturen die 1,8 Prozent bringen. Das Mindeste, was wir erwarten, ist, dass in dieser selbstverschuldeten Situation ein maximal möglicher Abstand zur Siedlung gewahrt wird. Die Ausrede, dass keine Zeit mehr für diese Überlegung sei, lassen wir nicht gelten.

Mit dem Zeitdruckargument wurden schon Diskussionen im Planungsausschuss abgewürgt. Da haben wir eine ganz andere Wahrnehmung als Herr Schmid von der CDU zu den Vorberatungen. Man wollte auf Biegen und Brechen eine Verabschiedung im April 2024 erreichen. Inzwischen ist allen klar, dass diese Zielmarke nicht zu halten ist. Die neue Regionalversammlung wird sich mit der Verabschiedung beschäftigen müssen. Wenn dem so ist, ist auch schlagartig ein Zeitfenster da, die 900 Meter Mindestabstand abzuwägen. Bitte unterstützen Sie unseren Änderungsantrag und lassen Sie sich nicht die Entscheidung von der Sitzungsleitung aus den Händen nehmen wie in der Vorberatung. Die Abstimmung zum Abstand zur Siedlung war die einzige mit Entscheidungsspielraum bei dem ganzen Windkraft-Komplex. Alles andere diktieren die Rahmenbedingungen. Seien Sie souverän und lassen Sie sich nicht mit Pseudo-Zeitdruckargumenten hinter die Fichte führen und glauben sie nicht Versprechen, man könne im späteren Prozess noch etwas einsparen. Das sind ungedeckte Schecks auf die Zukunft.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

Windkraft: 900 Meter Abstand zur Siedlung

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