Am 27.09.2023 habe ich nachfolgende Rede zum Naherholungskonzept in der Regionalversammlung gehalten: 

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

definiere Naherholung – raus aus der Haustür und hinein ins Grüne? Nicht ganz, für Stuttgarterinnen und Stuttgarter ist es seit jeher raus aus der Türe, rein ins Auto und ab ins Remstal oder zum Bärensee.

Schon sind wir mittendrin in einem zumindest leicht verminten Gelände: „So schön ist Stuttgart“, wie der in der Verwaltungsvorlage angeführte SPIEGEL-Beitrag vom 22. Juni 2023 titelt, bezieht sich bei genauem Hinsehen nur zum Teil auf die Landeshauptstadt. Kurzerhand wird dort auch die ganze Schwäbische Alb zu Stuttgart gezählt: „Etwa 45 Auto(!)minuten südlich von Stuttgart beginnt die Schwäbische Alb »Mein persönliches Lieblingsziel zur Stadtflucht«, zitiert der SPIEGEL die Stuttgarterin Susi Maier.

Der SPIEGEL beschreibt auch Herausforderungen für die Naherholung: „Schön sei auch der Remstal-Radweg von Waiblingen-Beinstein aus in Richtung Weinstadt. Die Tourismusverantwortlichen vor Ort bewerben den rund 106 Kilometer langen Radweg als besonders familienfreundlich, mit Parks, Spielplätzen, Besenwirtschaften und »Remsstränden« am Wegesrand. Am Wochenende kann es hier jedoch bei schönem Wetter auch voll werden.“ Wie voll? Zuletzt wurden 1.500 Räder an einem Sonntag an einer Zählstelle registriert.

Was bedeutet das für uns? „Gut gemeint“ in der Vorlage ist das eine, „Gut umgesetzt“ vor Ort ist das andere. Und vor allem „wie“ umgesetzt? Sollen wir „Fahrrad-Obergrenzen“ festlegen? Gibt es das bei uns künftig in der Region? „Obergrenzen“ für die Natur, weil sie mehr nicht verkraften kann? Vom Zielkonflikt von „Naherholung versus Naturschutz“ wurde ja in der Präsentation zur heutigen Vorlage gesprochen. Wir lesen viele gute Vorsätze in der Sitzungsvorlage auf der üblichen regionalen Flughöhe, d.h. man bewegt sich im Bereich des Theoretischen. Es wird, die Voraussage ist keine Kunst, mehr als ein paar Bürgerforen bedürfen, um eine fundierte Naherholungskonzeption mit Umsetzung zu erarbeiten. Es braucht Expertise in Verkehrsplanung, denn die Kunst wird sein, die Menschen, die Naherholung suchen, so ohne Verbote zu verteilen, dass sie auch Naherholung finden und die Natur dabei intakt bleibt.

Wir haben gute Erfahrungen mit dem Landschaftspark Region Stuttgart gemacht. Wir hoffen auf ebensolche mit der darauf aufbauenden Naherholungskonzeption. Skeptisch macht uns allerdings dieser Satz: „Wichtig ist dabei die Erreichbarkeit des Angebotes – insbesondere ist eine günstige Lage zu Wohn-/Arbeitsorten und die einfache Zugänglichkeit mit Fahrrad oder öffentlichem Nahverkehr anzustreben, auch im Hinblick auf die Klimaschutzziele im Verkehrsbereich und eine verbesserte Umweltgerechtigkeit.“ Laut dem Deutschen Institut für Urbanistik bezeichnet „der Begriff Umweltgerechtigkeit eine sozialräumlich ausgewogene Verteilung von Umweltbelastungen“. „Umweltgerechtigkeit“: Für die regionale Flughöhe wirklich genau die richtige Begrifflichkeit. Es geht also um eine bessere Verteilung der touristischen Naherholungslasten in der Region. Aber wie wollen sie es „umweltgerecht“ regeln, wenn am Wochenende neben den genannten Radfahrern auch nur ein Bruchteil der 27.000 Motorradfahrer oder 5.100 Oldtimerbesitzer aus Stuttgart auf den bewährten landschaftlich schönen Routen in die Schwäbische Toskana oder auf die Schwäbische Alb fährt. Sie werden diesen kleinen aber lautstarken Gruppen mit den knatternden Auspuffen und röhrenden Motoren wohl ihre Lieblingsstrecken nicht verbieten – oder? Unsere Position: Mehr „Umweltgerechtigkeit“ durch Information und Transparenz JA, durch Kontingentierung und Zugangskontrolle wie in Coronazeiten NEIN. Ich glaube, dass wir hier sehr schnell unterschiedlicher Meinung bei der konkreten Umsetzung sein werden. Ich erinnere nur an unsere Konflikte im Planungsausschuss zum Thema „Gastronomie im Freiraum“: Für uns ein interessanter und stark nachgefragter Teil der Naherholung (siehe z.B. Katzenbacher Hof). Für eine starke Gruppe in der Versammlung aber nur „Autos auf Feld- und Waldwegen“ und damit zu verhindern. So haben wir in der Region Heilbronn-Franken die Schwäbische Toskana mit Gastro-Angeboten in den Weinbergen, bei uns in der Region Stuttgart aber meist nur ältere Einrichtungen mit Bestandsschutz im Außenbereich.

Über das heutige theoretische Konzept brauchen wir aber nicht zu streiten. Die Flughöhe macht es konsensfähig. Vielen Dank für die Ausarbeitung und vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Regionales Naherholungskonzept: Die Flughöhe macht es konsensfähig

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