Nachfolgende Rede habe ich am 11. Dezember 2019 zur Verabschiedung des Haushalts 2020 in der Regionalversammlung gehalten:
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Verwaltung hat einen 442-Millionen-Euro-Haushalt vorgelegt. Die Regionalfraktionen haben ihn mit Anträgen und Ideen noch etwas bürgernäher gemacht. Deswegen gehe ich einmal davon aus, dass dieser Haushalt heute einstimmig verabschiedet wird.
Aber lassen wir uns diesen Betrag einmal auf der Zunge zergehen: Rund 442 Millionen Euro für 2020 sind ein ganz schöner Brocken. Vor allem, wenn wir daran denken, dass unsere Kollegen beim ersten vergleichbaren Haushalt der Region im Jahr 1996, also vor einem Vierteljahrhundert, umgerechnet etwas über 83 Millionen Euro, also ein knappes Fünftel, zu stemmen hatten.
Dieser Haushalt 2020 dokumentiert, wie wirtschaftsstark die Region ist. Er dokumentiert aber auch, dass Wirtschaftsstärke nicht gottgegeben ist. Sie ist das Ergebnis von Rahmenbedingungen, unternehmerischen und politischen Entscheidungen und auch einer optimistischen Grundstimmung.
Ich will den Dreiklang der Finanzierung, auf dem unser Rekordhaushalt beruht, so beschreiben: Unsere Unternehmen erwirtschaften Umsatz und Gewinn. Sie bezahlen daraus Steuern und ihre Beschäftigten. Diese Beschäftigten füllen mit ihren Steuern die öffentlichen Kassen. Diese 442 Millionen sind also nicht vom Himmel gefallen. Sie wurden erarbeitet und erwirtschaftet.
Warum dieser kleine Exkurs ins Grundwissen Wirtschaft? Weil uns dieser Rekord-Etat nachdenklich machen sollte. Wir bewegen uns inzwischen auf einem derart hohen Niveau, dass wir es in unserer regionalen Wirtschaft und unserem regionalen Lebensraum mit einem hochkomplexen System zu tun haben.
Alles hängt bei uns mit allem zusammen – das scheint eine Binsenweisheit zu sein. In der Wirklichkeit scheint dieser Fakt aber völlig in Vergessenheit zu geraten. Dr. Walter Rogg hat eine Rogg-Rede gehalten, in der er kritisierte, dass der durchschnittliche jährliche Bedarf an neuen Gewerbeflächen von 100 Hektar nicht mehr gedeckt wird. Drei Tage zuvor wollte der Planungsausschuss von neuen Gewerbegebieten noch nichts wissen. Ein Ruck geht aber durch unsere Nachbar-Regionen: Im Nordschwarzwald buddeln sie fleißig an Gewerbegebieten, im Raum Heilbronn auch. Das kann Folgen haben. Jeder Umsatz- und Lohn-Euro, der dorthin fließt, wird uns fehlen, wenn es darum geht, den nächsten regionalen Rekordhaushalt zu finanzieren.
In Stuttgart haben wir ein Luxusproblem: Die Stadt hat eine erfolgreiche Ansiedlungspolitik betrieben. Die Folge ist, dass 270.000 Menschen zur Arbeit einpendeln. Wenn die Stadt gleichzeitig autofrei werden und sich wieder in eine gutbürgerliche Residenzstadt des frühen 19. Jahrhunderts verwandeln will, dann ist das eine Quadratur des Kreises, die eigentlich nur gelöst werden kann, wenn die Firmen abwandern und die Arbeitsplätze verlagert werden. Es gäbe dabei durchaus regionale Interessenten. Ludwigsburg beispielsweise hat ja schon Erfahrungen als Landeshauptstadt. Und mit dem Nordostring, der dann zum Südwestring würde, ließe sich durchaus ein Umfahrungskonzept beginnen.
Die Alternative hierzu ist, die Region Stuttgart so zu ertüchtigen, dass sie zukunftsfähig ist. Unser 442-Millionen-Haushalt spricht da eine deutliche Sprache: 410 Millionen Euro betreffen den Verkehrssektor. Wenn die Wirtschaft nicht mehr brummt, werden wir uns den ÖPNV nicht mehr leisten können. Wir haben schon jetzt bei der Tariferhöhung gesehen, wie schnell sich ein Minister verabschieden kann, wenn sein Vorhaben, die Fahrgastzahlen im öffentlichen Nahverkehr zu verdoppeln, auf die Frage stößt, wer das bezahlt?
Das darf jetzt aber bitte nicht als Plädoyer für regionalen Geiz verstanden werden. Der FDP geht es immer um die schwäbische Sparsamkeit, die darauf beruht, nur für Dinge Geld auszugeben, die sich lohnen, weil sie sich bezahlt machen. Ich will das am Beispiel des interfraktionellen Antrages „Wirtschaftlichen Wandel gestalten, Region nachhaltig entwickeln“ zeigen, den die Grünen, CDU/ÖDP und Freie Wähler eingebracht haben. Wir hätten uns an diesem Antrag gerne beteiligt und haben deshalb vorgeschlagen, ihn finanziell zu unterfüttern. Der Verband Region Stuttgart und die WRS sollten in Zusammenarbeit mit der Landesmesse beauftragt werden, eine regionsweite Präsentationsveranstaltung „Innovationen gegen den Klimawandel“ auszurichten. So hätte die wirtschaftliche Basis der Region gestärkt werden können. Der Verband hätte dafür im Haushalt eine Anschubfinanzierung von 500.000 Euro einplanen sollen. Der Vorschlag wurde leider von den Kollegen nicht mitgetragen. Deswegen ist der Haushalt 2020 zwar ein Rekordhaushalt, aber mit ein bisschen weniger Investitionen als wir uns gewünscht hätten.
Wir sind aber trotzdem zufrieden und stimmen dem Etat gerne zu und bedanken uns bei der Verwaltung für die Vorbereitung, die sie geliefert hat. Ansonsten gilt natürlich wie immer, aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Wir sind ja geübt im dicke Bretter bohren, genauso wie alle anderen hier auch: Was den einen Tempolimits und Fahrverbote, sind für uns sichere und pünktliche S-Bahnen, eine wirtschaftsunterstützende Politik, digitale Lösungen zum Nutzen der Bürger in Verkehr, Wirtschaft und Verwaltung und die Änderung des Regionalwahlrechts – wir werde weiter versuchen, dafür Mehrheiten zu finden. Dass wir zentrale Anliegen unseres Antragspakets im heutigen Beschluss wiederfinden, freut uns: Landschaftspark als Klimapark, Zielvereinbarungen zu Bauland mit Kommunen, Bericht über Münchner Bahnsteigtüren, Diskussion um Sicherheit in S-Bahnen, Trinkbrunnen, Mobilitätsrechner, Seilbahnen, Zweite Stammstrecke, Toiletten an S-Bahn-Stationen, Videoprotokolle aus der Regionalversammlung, Lieferlogistik optimieren und Digitalisierung von Sportstätten. Danke auch an die Kollegen der anderen Fraktionen für die von Ihnen gelieferten interessanten Ansätze. Und danke an unseren Wirtschaftsförderer: Durch die Region muss ein Rogg gehen. „It´s the economy, stupid!“