„Mein Freund der Baum ist tot“ sang Alexandra 1968 und kreierte einen Schlager, der heute als frühe Öko-Hymne verstanden werden kann. Dass die angeblich ökologisch bewegten Fraktionen der Grünen und Linken im Planungsausschuss doch keine wahre Freundschaft zu den Bäumen pflegen, bewiesen sie anlässlich der Diskussion um die große Biogasanlage in Nürtingen (Großbettlinger Gatter): Mit dieser Großanlage sollten aus dem ganzen Land Speisereste in Gas verwandelt werden. Von dieser Technik waren Grüne, SPD und Linke (und die CDU) so begeistert, dass sie am 20. Januar 2010 das Votum der Verwaltung gegen den Vorschlag der Stadt Nürtingen aufhoben und der Errichtung der Anlage im Wald zustimmten. Hierzu müssten 2 Hektar Wald abgeholzt werden. Dieselben Leute, die im Stuttgarter Schlossgarten jeden Baum argumentationsresistent bis aufs Letzte verteidigen, wollten hier hunderte von Bäumen ohne große Diskussion fällen lassen, weil es hier um eine „ethische Technologie“ (???) gehe. Ich habe damals meine Vorbehalte geäußert, war aber in meiner eigenen Fraktion in der Minderheit. Nun hat das Regierungspräsidium dem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung gemacht: Die Behörde hat nämlich nistende Baumfalken im Wald entdeckt. Diese seltenen Raubvögel sind geschützt und damit ist der Standort hinfällig. Als Anwälte der Bäume haben sich die Baumfalken, aber nicht die Grünen erwiesen. Das Ganze ist ein Wiederholungsvorgang: Dieselben Leute, die eine 70 Meter hohe Polizeiantenne in einem Grünzug bei Göppingen als „unerträglichen Solitär in der freien Landschaft“ bezeichnen, sind plötzlich dafür, wenn ein solcher Mast im Grünzug Windräder hat. Dann kann er sogar gerne dreimal so hoch sein. Aus „ethischen“ Gründen ist das dann in Ordnung!

Entscheidungen in der Raumplanung sind immer Abwägungsentscheidungen – aber sie sollten nach präzisen Kriterien erfolgen und nicht wahllos sein. Vor allem sollte nicht der eine Baum verteidigt werden, der mehrfache Nachpflanzungen erhält und der andere Baum, für den nur ein 1:1-Ausgleich sichergestellt ist, mit einer Handbewegung geopfert werden.

„Mein Freund der Baum“ kein wahrer Freund der Grünen

4 Kommentare zu „„Mein Freund der Baum“ kein wahrer Freund der Grünen

  • 21. März 2011 um 12:43 Uhr
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    Hallo Herr Buschmann,
    toller Artikel! Ich hoffe nur, daß Ihre Seite oft genug angeklickt wird,- am besten vor dem 27.03.-, damit die Wähler sich ein besseres Bild der „grünen Fakten“ schaffen können.

    Antworten
  • 22. März 2011 um 11:00 Uhr
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    Guten Morgen Herr Buschmann,

    als Pressewart unserer Bürgerinitiative „Gegenwind Husarenhof“, die sich seit Anfang 2010 mit sehr großem Erfolg und mit starker Unterstützung vor allem im bürgerlichen Lager gegen den geplanten und vor allem durch SPD, Grüne und Linke unterstützten Bau eines 180 m hohen Windrads an einem vergleichsweise – nach den Ergebnissen des vom TÜV SÜD für ganz Baden-Württemberg erstellten Windatlas – windarmen Standort habe ich veranlaßt, daß ihr Beitrag zu unserer homepage http://www.gegenwind-husarenhof.de verlinkt wird, damit die Leser unserer täglich sehr stark frequentierten homepage sich informieren können über den vorwiegend von den Grünen zu Lasten von Umwelt und Natur forcierten Unfug in Nürtingen.

    Walter Müller

    Antworten
  • 22. März 2011 um 17:12 Uhr
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    Lieber Kollege Buschmann,

    bleiben wir mal bei den Fakten. Der Planungssausschuss des VRS hat sich gegen ein Planabweichungsverfahren zur Errichtung einer Biogasanlage entschieden. Die Grünen-Fraktion war hier nicht einheitlich, da einige den Landschaftsschutz höher bewertet haben, während andere den erneuerbaren Energien den Vorrang gegeben haben. Ich selber bin kein Mitglied des Planungsausschusses, aber ich war für ein solches Verfahren, bei dem es nicht, wie von Ihnen suggeriert, um den Bau der Anlage ging, sondern um die Prüfung, inwieweit ein solcher Bau sich landschaftlich, raumordnerisch und wirtschaftlich rechtfertigen ließe. Jetzt ist das sowieso Makulatur dank des Baumfalken, also werden wir in der Region weiter suchen. Dass wir dabei vor Ort immer auf Bedenken stoßen werden, ist wohl allen klar. Wenn wir aber den Ausstieg aus der Atomenergie und klimafeindlicher Kohle machen wollen, dann werden wir diesen Konflikt ausfechten müssen. Dafür stehe ich als Grüner.

    Mit freundlichen Grünen

    Dr. André Reichel
    Mitglied der Regionalversammlung im Verband Region Stuttgart
    Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

    Antworten
  • 22. März 2011 um 23:16 Uhr
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    Hallo Herr Dr. Reichel,
    gerne bleibe ich bei den Fakten, die Sie ja sogar bestätigt haben. 2010 gab es im Planungsausschuss ein eindeutiges Votum ihrer Fraktion für den Standort im Wald. Wenn Sie als Nicht-Mitglied im Planungsausschuss da z.B. anderer Meinung waren, freut mich das ja, aber Sie wissen auch, dass die abschließenden Entscheidungen in solchen Fragen schon im Ausschuss und nicht erst in der Regionalversammlung fallen, d.h. die Fraktionsposition ist durch das Verhalten der Ausschussmitglieder bestimmt. Sie versuchen hier gerade ein Schlupfloch zu konstruieren. Erst die Baumfalken-Überraschung hat unterschiedliche Positionen in Ihrer Fraktion nun im Jahr 2011 aufscheinen lassen.
    Ihre Unterscheidung von Prüfung und Bau ist theoretisch; Es ging um die Zustimmung des Verbandes zum Standort als Bedingung der Möglichkeit für den Bau der Anlage. Das Abholzen von 2 Hektar Wald wurde von Ihrer Fraktion bewusst in Kauf genommen wegen der von Ihnen vorgenommenen Abwägung (Wald vs. erneuerbare Energien). Im Stuttgarter Schlossgarten scheint sich jeder Baum Abwägungen ihrerseits zu entziehen.
    Grundsätzlich muss Landschaftsschutz und der Ausbau erneuerbarer Energien miteinander abgewogen werden. Da sind wir ausdrücklich einer Meinung. An anderer Stelle auf diesen Seiten können Sie ja lesen, dass ich deshalb im Gegensatz zu Walter Müller (Eintrag oben)den Bau des Ingersheimer Windrades auch unterstützt habe und weiter unterstütze. Ich habe aber auch nie so fundamentalistische Positionen eingenommen wie ihre Partei in der Stuttgarter Baumfrage.
    Schön, dass Sie hier Ihre Position mit interessanten Winkelzügen eingetragen haben. Sowas macht also nicht nur schwarz-gelb, wenn es eng wird (ist ja Ihr Vorwurf im Moment in der Kernenergiedebatte).
    Mit lie(!)beralen Grüßen
    Kai Buschmann

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