
Am 2. April 2025 habe ich nachfolgende Rede zur Teilfortschreibung der Regionalpläne Windkraft und Photovoltaik in der Regionalversammlung gehalten:
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
vorneweg: Wir werden der Regionalplanfortschreibung Photovoltaik zustimmen und auch der zur Windkraft in Koppelung mit unserem Antrag, dass bezüglich des Flächenziels von 1,8 Prozent nachjustiert werden muss. Wir haben heute unter Einbeziehung des interfraktionellen Antrags noch einen Puffer von fast 100 ha für die Zweite Offenlage vor dem Satzungsbeschluss im Herbst. Das ist gewagt, aber noch gerade vertretbar, da in den nächsten Wochen Gebiete in einer Flächensumme von 570 ha von den Landratsämtern geprüft werden. Wir können davon ausgehen, dass ein Teil noch in die Gesamtkulisse gelangt und wir so noch etwas mehr Abstand vom vorgegebenen Flächenminimum von 6500 ha erhalten. Das ist uns wichtig, weil wir nicht wissen, was in der Zweiten Offenlage noch entdeckt wird. Findet sich ein „Hexenhäuschen“ im Wald, kann das schlimmstenfalls dazu führen, dass 113 ha wegfallen. Auch wissen wir nicht, was für obergerichtliche Urteile zu unseren Themen in den nächsten sechs Monaten noch ergehen. Die Urteile zu den Wasserschutzgebieten und dem Überlastungsschutz der letzten Zeit haben unseren Handlungsspielraum jedenfalls deutlich eingeschränkt.
Bei den Stellungnahmen der Verwaltung findet sich bei einem Drittel der Vorranggebiete der Satz: „Die Vorgaben zur Erreichung des Flächenziels lassen … nur sehr geringen Spielraum, um deren Belange in der Abwägung stärker zu gewichten.“ Dieser Satz bedeutet, dass man zu einem anderen Abwägungsergebnis gekommen wäre, wenn mehr Spielraum in der Gesamtkulisse vorhanden wäre.
Diese Situation ist durch die Vorgaben des Klimagesetzes des Landes entstanden. Der Bund hat die Flächenbeitragswerte der einzelnen Bundesländer nach Besiedlungsdichte und Winddargebot zwischen 0,5 und 2,2 Prozent der Fläche differenziert. Baden-Württemberg wurde 1,8 Prozent zugewiesen. In der Umsetzung für Baden-Württemberg hat das Land die Differenzierung des Bundes nicht auf die 12 Regionalverbände angewandt, sondern die 1,8 Prozent einheitlich „nach unten“ weitergereicht, obwohl Winddargebot und Bevölkerungsdichte unter den Regionalverbänden erheblich unterschiedlich verteilt sind. Den windschwachen und am dichtesten besiedelten Regionalverband Stuttgart trifft dieses unverantwortliche Vorgehen des Landes am heftigsten. Hier muss nachgearbeitet werden und hierfür ist zeitlicher Spielraum: Das Klimagesetz des Landes erwartet die Vorlage der Regionalpläne Windkraft vorzeitig zum 30.09.2025. Im Gesetz sind allerdings keine Rechtsfolgen bei einer Nichteinhaltung dieser Frist definiert. Die sog. „Superprivilegierung“ droht allein der Bund an, wenn bis zum 31.12.2027 keine rechtsverbindlichen Pläne vorliegen. Wir bitten daher um Zustimmung für unseren Antrag, das Land aufzufordern hier nachzuarbeiten.
Die Ausführungen meines AfD-Vorredners zur „Bodenversiegelung von 1,8 Prozent der Regionsfläche“ weise ich zurück. Ein Windradsockel hat eine Fläche von ca. 0,2 ha. In einem 70 ha großen Vorranggebiet ist manchmal nur Platz für zwei Windräder. Wir können davon ausgehen, dass unter 1 Prozent von 1,8 Prozent versiegelt werden. Beim Fußballfeldvergleich der AfD sind somit zwei Nullen zu streichen. Das war Verbreitung von Fake News.
Das Damoklesschwert der 1,8-Prozent hing über der fünfstündigen Sitzung des Planungsausschusses am vergangenen Mittwoch. Manche Landschaftsräume und Kulturdenkmäler konnten zunächst nicht so geschützt werden, wie sie es verdient haben. In einem interfraktionellen Antrag haben CDU, FW, SPD und FDP nach Vorliegen des Gesamtzwischenergebnisses nachjustiert. Auch hier bitten wir um Zustimmung. Wir bekommen so eine noch nicht gute, aber etwas verträglichere Gesamtkulisse. „Willkürlich“ ist unsere Vorgehensweise nicht, wie uns die Grünen vorwerfen, sondern genau auf die Situation vor Ort und die Argumentation der Teilfortschreibung abgestimmt.
Umgekehrt können wir uns vorstellen, den Antrag der Grünen zu einer erneuten Einzelfallprüfung einer Erweiterung von LB-06 Ingersheim für ein zweites Windrad mit vierwöchiger Frist zu unterstützen. Unseres Erachtens spricht die Unterschreitung des Mindestabstands im Außenbereich und das Nicht-Vorliegen einer konkreten Windmessung gegen diese Erweiterung. Gegen eine erneute Prüfung ist aber nichts einzuwenden, wenn Fakten zum Abstand im Außenbereich unterschiedlich dargestellt werden und wir ein einigermaßen wirtschaftlich arbeitendes Windrad im Vorranggebiet haben, das vielleicht die konkrete Windmessung ersetzt. Auf der Markung Ingersheim steht das bisher einzige Windrad im Landkreis Ludwigsburg, betrieben von einer Bürgergenossenschaft. Gemeinde und Mehrheit der Bevölkerung stehen hinter dem Projekt.
Der heutige Tag soll kein Endergebnis bringen, sondern einen wesentlichen Zwischenschritt, der Nachkorrekturen 2026 und 2027 zur Entlastung unserer Region möglich macht. Ein Blick auf unseren Nachbarregionalverband Ostwürttemberg zeigt die Unterschiede auf: Dort kann man sich zeitgleich einen Mindestabstand von 1000 m zur Siedlung, ja sogar zu Einzelgehöften im Außenbereich leisten. Bei uns sind es 800 und 600 Meter. In Stuttgart wäre das Flächenziel leider klar gerissen bei einem solchen wünschenswerten Abstand von 1000 m, der aber schon in der direkten Nachbarschaft funktioniert und dort sogar 2,5 Prozent der Fläche erbringt. Das ruft nach einem Ausgleich zwischen den Regionalverbänden.
Noch ein Wort zu Freiflächen-Photovoltaik (PV). Seit 10 Jahren hat sich die FDP mit gut einem Dutzend Anträgen für mehr PV in der Region Stuttgart verwandt – in erster Linie auf Dächern, aber auch in der Fläche entlang von Straße und Schiene. Viel zu lange wurde das hier abgeblockt mit einer einseitigen Fokussierung auf Windkraft und dem Verweis auf rechtliche Unklarheiten, die andere Regionalverbände nicht gesehen haben. Entlang von ICE-Trassen und Autobahnen nun Freiflächen-PV BPlan-frei zu ermöglichen, ist richtig. Dies kann allerdings im Einzelfall zu schweren Belastungen der Gemarkung führen wie in Korntal-Münchingen oder wie im Fall meiner Heimatgemeinde Remseck zu zunächst seltsam anmutenden Entlastungen. Die Flächenkommune Remseck hatte 2022 bei einer Abfrage der Region 44 ha vor allem im „Weißen Kragen“ um die Siedlungskörper für Freiflächen-PV gemeldet, nichts findet sich in der heutigen Vorlage. Auf Remsecks Markung gibt es eben keine Fernverkehrstrassen. Was im ersten Moment ärgerlich anmutet, ist auf den zweiten Blick ein Glücksfall: Die Vorranggebiete für PV sind nämlich keine Schwarz-Weiß-Planung. Mit BPlan sind solche Anlagen auch außerhalb der Gebiete möglich, so es sich nicht um Wald, um Kernflächen des Biotopverbunds oder Lagen mit hoher Landschaftsbildqualität handelt. Die Erleichterung für den Investor ist hier nur der BPlan-Verzicht und die klare Aussage, dass es hier eindeutig geht. Gleichzeitig ist in diesen PV-Vorranggebieten Solarthermie aber verboten! Das EEG des Bundes privilegiert Anlagen der erneuerbaren Energien allgemein, das Landesplanungsgesetz § 11 schränkt auf PV ein und schließt Solarthermie aus. Gerade Solarthermie brauchen Städte und Gemeinden aber im Zuge der Wärmewende in der Nähe der Siedlungskörper für Nahwärmenetze. Dass wir heute mit den Vorranggebieten für Freiflächen-PV faktisch gleichzeitig Verbotszonen für Solarthermie ausweisen müssen, ist ein schwerer Fehler des Landesgesetzes. Für Remseck ist die heutige Nichtausweisung kurioserweise also eher ein Glücksfall, weil sie Möglichkeiten eröffnet und gar nicht einschränkt.
Insgesamt kann man sich so die Haare raufen, was für Umsetzungsideen sich die Landesregierung bei Windkraft und PV ausgedacht hat. Dennoch – und diese große Linie des Bundes müssen wir im Auge haben – sind es grundsätzlich richtige Schritte, um Deutschland unabhängig von Energielieferungen aus Russland zu machen und die CO2-Emissionen zu reduzieren. Insofern ist das heute ein wichtiger Tag.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Der FDP-Antrag zur Nachjustierung des Flächenziels wurde angenommen.