Kreativität entsteht im Kopf. Wirft man eine neue Idee in die Runde, wird meist durch die Umgebung sogleich die Schere aktiviert, die den neuen Gedanken kürzt: Skepsis allenthalben und die Angesprochenen sagen: „So etwas haben wir noch nie gemacht“. Seit 13 Jahren gibt es eine solche neue Idee: Flächenzertifikate für die Baulandausweisung, um ökonomische Anreize für einen sparsamen Flächenverbrauch zu schaffen. Der Nachhaltigkeitsbeirat der Landesregierung hat dieses Instrument jetzt befürwortet und reflexartig wurden die Vorbehalte von Umweltministerium („zu bürokratisch“) und Städtetag („Einschränkung der Kommunen“) formuliert.

Mich hat dieses Instrument angesprochen, denn wir reden alle von „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“ bei der kommunalen Baulandausweisung, aber finanzielle Anreize für Kommunen, konsequenter auf die Innenentwicklung zu setzen, gibt es bisher keine. Die meisten Kommunen denken weiterhin, Geld lässt sich mit der Ausweisung von Bauland auf der grünen Wiese am Ortsrand verdienen.

Nach meiner liberalen Überzeugung sind sauber ordnungspolitisch eingebettete marktliche Lösungen am effizientesten, um gesellschaftlich problematische Verbrauche zu regulieren. Das recht rigorose Planungsrecht in der Region Stuttgart arbeitet auf der Verbotsschiene und erzeugt kollektiven Protest der Kommunen, die sich gegängelt und gegenüber den Kommunen in den Nachbarregionalverbänden im Nachteil wähnen. Hierdurch ist die regionale Raumplanung in eine Akzeptanzkrise bei den Städten und Gemeinden geraten.

Das andere Steuerungsinstrument bei nicht erwünschten Verbrauchen sind die Steuern (siehe „Ökosteuer“ auf Mineralöl). Diese zielen aber beim Bauland mit Grund- und Grunderwerbssteuer auf den Immobilienbesitzer und haben in Sachen Flächenverbrauch keinerlei Lenkungswirkung. Bleiben neben Verboten und Steuern nur noch Zertifikate, um eine Lenkungswirkung zu erzielen. Weitere wirksame Instrumente sind in der Lenkungsdiskussion bisher nicht gefunden worden.

Ich bedanke mich bei meiner Fraktion in der Regionalversammlung, die sich in zwei Sitzungen durch mich von einem Test der Zertifikate auf Flächen überzeugen ließ. Mein Dank gilt auch der Regionalverwaltung, die umgehend sehr positiv auf den von der FDP eingebrachten Antrag (hier) reagierte. Die Diskussion im Planungsausschuss erbrachte im November Zustimmung von allen Fraktionen und Gruppen mit Ausnahme der Linken („zu viel Marktwirtschaft“) bei Skepsis der Freien Wähler („kommunale Gestaltungsfreiheit“ und „Komplexität der Umsetzung“). Am 8. Dezember wurde die Empfehlung des Planungsausschusses in der Regionalversammlung angenommen. Es ist erfreulich, dass die Das-haben-wir-noch-nie-gemacht-Schere in der Region nicht zum Einsatz kam. Hoffentlich befassen sich die Skeptiker auf Landesebene nun ernsthaft mit diesem Instrument.

Die Das-haben-wir-noch-nie-gemacht-Schere

Ein Kommentar zu „Die Das-haben-wir-noch-nie-gemacht-Schere

  • 3. August 2011 um 21:11 Uhr
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    Der Baden-Württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat zu Beginn seiner Amtszeit die Wirtschaft mit allerlei Äußerungen ordentlich verprellt („kleinere und weniger Autos“, „Innovationspeitsche“). Um so mehr war Kretschmann bemüht, in einem Interview mit dem wirtschafliberalen Wochenmagazin „“wirtschaftswoche“ marktfreundliche Töne hören zu lassen. Hier ein Ausschnitt zum Thema:

    „Wirtschaftswoche: Neue Gewerbe- und Wohngebiete sollen nur dann ausgewiesen werden, wenn andere Flächen gleichzeitig entsiegelt werden. Wie soll das funktionieren?

    Kretschmann: Die konkreten Instrumente müssen wir uns noch überlegen. Eine Option ist der Flächenzertifikate-Handel, also der Handel mit Flächennutzungsrechten …“

    Wirtschaftswoche, 9.5.2011, S.23

    Na bitte – geht doch!

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