Am 26. März 2014 habe ich nachfolgende Rede zum ÖPNV-Pakt zwischen Land, Landkreisen, Stadt Stuttgart und Verband Region Stuttgart in der Regionalversammlung gehalten:
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
in den Stuttgarter Nachrichten vom 14. Februar war ein schönes Bild: vier Männer reichen sich die Hände und blicken in die Kamera. Darüber stand „Streithähne müssen Kröten schlucken“. Heute gibt es im Rahmen dieses Menüs mit Kröten noch eine Regionalversammlung zum Nachtisch. Sehen Sie es mir nach, wenn ich jetzt zum Hosianna ein paar kritische Anmerkungen beisteuere. Obwohl, Hosianna heißt eigentlich „Hilf doch“ und wandelte sich erst mit der Zeit vom Hilferuf zum Jubelschrei.
Wir erinnern uns, liebe Kolleginnen und Kollegen von grün, rot und schwarz: Der Verband wollte die Zuständigkeit für die Busverkehre an sich ziehen. Jetzt darf er Expressbuslinien einrichten und sich gemeinsam mit den Kreisen auf eine „Allgemeine Vorschrift“ einigen. Da war doch was? Ach ja, da war ein gemeinsamer Antrag von der FDP und den Freien Wählern vom Juni 2013: „Die Geschäftsstelle wird beauftragt einen Entwurf für die Allgemeine Vorschrift im Einvernehmen mit den Landkreisen und der Stadt Stuttgart zu erarbeiten. Sie hat dafür Sorge zu tragen, dass die Belange aller Beteiligten angemessen beachtet werden …“ Jetzt heißt es „Der VRS erlässt die Allgemeine Vorschrift in enger Zusammenarbeit und im Einvernehmen mit den Landkreisen und dem Land als weiteren Aufgabenträgern für die weiteren Verkehrsmittel der Verbundstufe 2.“
Damit hat sich unsere Position nun durchgesetzt, obwohl es am Anfang gar nicht danach aussah. Die ÖPNV-Debatte, die Teile der Regionalversammlung geführt haben, war so kurz vor der Wahl kein Muster für eine gute regionale Politik: Statt gemeinsam an Qualitätsverbesserungen beim ÖPNV zu arbeiten, haben sich Landkreise und Region im Zuständigkeitsstreit über ein Jahr blockiert – „Zuständigkeit statt Qualität“ war die Devise. Mich erinnert das als Schulleiter an die Bildungsdebatte. Dort heißt es auch leider immer „Strukturen statt Qualität“ und im Ergebnis treten wir auf der Stelle. Nichts vom Drei-Punkte-Katalog der Regionalversammlung vom letzten Sommer „Superdirektor-Zielabweichungsverfahren-ÖPNV-Zuständigkeit“ wird umgesetzt – gar nichts. Dieses Papier war ein großer Fehler. Die Kompetenzerweiterungsbefürworter in der Verbandsspitze sind auf großspurige Versprechungen von rot-grünen Landespolitikern hereingefallen und sind bitter enttäuscht worden.
Die FDP-Fraktion begrüßt ausdrücklich, dass diese Debatte mit dem jetzt ausgehandelten ÖPNV-Pakt vom Tisch und entschieden ist. Auch wenn es dazu nicht unbedingt eines Paktes bedurft hätte.
Ein Kompliment an Verkehrsminister Hermann: Er hat es geschickt verstanden, unter der Überschrift „Pakt“ zusammenzufassen, was schon da ist oder schon da war und es als neu verkauft. Es gibt da beispielsweise die „Angebotskonzeption 2020“ der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg, die in ihren Grundzügen 2007 entwickelt wurde. Das Metropol-Express-System entspricht im Grunde dieser Planung, nur dass die Busse jetzt einen eigenen Namen haben. Oder wie es Minister Hermann selbst formuliert, ich zitiere aus der Beantwortung einer Landtagsanfrage vom 14. März: „Es bestehen keine grundsätzlichen Unterschiede zwischen der Angebotskonzeption 2020 und dem geplanten Metropol-Express-System.“
Der Mehrwert, das sagt er selber, besteht darin, dass „die Busse unter einem eigenen Namen zu einem von den Fahrgästen noch besser wahrnehmbaren Angebot“ werden. Der Mehrwert des Paktes für den Minister bestand in guter Presse. Der Mehrwert für die ÖPNV-Benutzer besteht darin, dass das Kompetenzgerangel jetzt hoffentlich erledigt ist. Damit können wir endlich an den Qualitätsverbesserungen für die Kunden arbeiten.
Deswegen wird unsere Fraktion dem Pakt, bei aller Kritik im Detail, zustimmen. Die wichtigste Botschaft steht auf Seite 1, Absatz 2 der Vereinbarung: „Die ÖPNV-Partner (also Land, Verband, Landkreise und Stuttgart) vereinbaren einen ÖPNV-Pakt 2025 … und erklären, bis dahin die neue Kompetenzverteilung zu akzeptieren.“ Mit diesem Pakt müsste also die nächsten elf Jahre Ruhe beim Thema „Zuständigkeit“ sein. Wir hoffen, dass das nicht wieder in Vergessenheit gerät. Denn auch in der vorherigen Vereinbarung der ÖPNV-Partner von 2005, auf die auch die heutige Sitzungsvorlage 109, S.2 (letzter Absatz Sachvortrag) als sogenanntes 17-Punkte Papier Bezug nimmt, stand zu lesen, die „Landkreise und (der) Verband Region Stuttgart (stellen) ihre Rechtsauffassung über die Zuständigkeit sowie Initiativen zur Änderung der Rechtslage zurück“.
Diese Rahmenvereinbarung von 2005 ist bis heute ungekündigt. Das heißt, dieser Satz hatte auch vor einem Jahr Gültigkeit. Nur hat sich ein Teil der Regionalräte nicht daran gehalten. Aber wenn Vertragstreue die Basis jeder vertrauensvollen Zusammenarbeit ist, dann sollte uns das nicht noch einmal passieren.
Fassen wir zusammen, was wir jetzt haben:
1. Die Region verzichtet für die nächsten elf Jahre auf Kompetenzerweiterungen.
2. Das sternförmige S-Bahn-Netz wird durch Endpunkte verbindende Expressbuslinien ergänzt.
3. Für die S-Bahn-Zubringer gelten einheitliche Standards.
4. Dank „Stuttgart 21“ wird ein Metropol-Express-Bahn-System möglich, das 5,5 Millionen Menschen in eine Stunde Fahrzeitdistanz zum Hauptbahnhof bringt.
5. Die intermodalen Vernetzung wird insbesondere durch ein P+R-Konzept verbessert.
6. Die Kostenstruktur und Verteilung der Einnahmen soll transparent und nachvollziehbar werden.
Diese sechs Punkte unterstützen wir als FDP-Fraktion. Wer unsere Anträge und Initiativen zum Thema S-Bahn und ÖPNV kennt, den wird das nicht wundern. Sieht so aus, als ob unsere Ideen bei den Paktschmieden alle auf dem Tisch lagen.
Das Express-Bahn-Netz als neue Möglichkeit dank Durchgangsbahnhof und S21 zeigt, dass dieses Projekt die versprochenen Verbesserungen bringt. Schön, dass dies jetzt alle so sehen. Die Expressbuslinie kenne ich als Remsecker schon: Bei uns heißt das „Direktbus Ludwigsburg-Waiblingen“ via Remseck. Es ist sinnvoll, dieses erfolgreich von den Landkreisen entwickelte Modell regional auszubauen. Dass es im Moment Direktbus und nicht Expressbus heißt, ist kein Zufall, denn von Express kann oft nicht die Rede sein. Der Bus steht mit den anderen Fahrzeugen im Stau. Der Pakt rät zu Beschleunigungsmaßnahmen wie Busspuren. In Remseck brächte eine neue Neckarbrücke den Bus voran. Deren Bau wurde vom Landesverkehrsminister aber gestoppt. Vielleicht denkt er jetzt um?
Sie sehen, der Teufel steckt im Detail. Das haben wir auch in Winnenden erlebt, wo der Regionalbahnhalt nach den Buchstaben des Paktes nicht mehr vorgesehen war. Das Ministerium hat auf FDP-Intervention flugs nachgebessert. Gut so.
Der Detail-Teufel steckt auch in der Finanzierung. Wir haben im Vorfeld der heutigen Regionalversammlung nach den finanziellen Folgen des Paktes gefragt. Der Argumentation, hier und heute würde nichts Finanzwirksames beschlossen, sondern dies geschehe erst mit den konkreten Entscheidungen im Verkehrsausschuss beispielsweise zu den Expressbussen, können wir nicht folgen. Selbstverständlich greifen wir mit der heutigen Zustimmung den Menschen tief in die Tasche: Ich möchte deswegen hier ausdrücklich den Rems-Murr-Kreis loben. Der hat in einer Vorlage über die finanziellen Auswirkungen erklärt: „Die Umsetzung des Programmes inklusive der Finanzierung von Expressbussen wird den Rems-Murr-Kreis nach heutiger Schätzung zwischen einer und zwei Millionen Euro kosten. Dieser Mehraufwand bedeutet für den Rems-Murr-Kreis eine zusätzliche Kreisumlage von 0,2 bis 0,4 Prozentpunkten.“
So, meine Damen und Herren, funktioniert Transparenz, wie wir von der FDP sie uns vorstellen. Und da „transparente Finanzierungsströme“ ja im Pakt besiegelt wurden, der jetzt gilt, heißt unsere erste Forderung „klare Zahlen auf den Tisch“, sowohl vom Land als auch von der Region – so wie es Rems-Murr vorgemacht hat.