Am 4.12.2013 habe ich zur Verabschiedung des Haushalts 2014 nachfolgende Rede in der Regionalversammlung gehalten:

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir freuen uns, dass wir nach so langer Zeit nun wieder eine Regionaldirektorin haben und gratulieren Frau Dr. Nicola Schelling herzlich zur Wahl!

Und wir freuen uns auch ganz offen, dass unsere Aussage, dass die Region keinen Super-Direktor braucht, inzwischen von allen geteilt wird. Denn liberales Ideal ist ja, dass sich die Vernunft durchsetzt und das ist in diesem Fall geschehen.

Allen Unkenrufen zum Trotz sind ein halbes Hundert Bewerbungen eingegangen. Dabei hatten die Befürworter des Super-Direktors im Sommer schwarz-rot gemalt: Wenn wir die Ämter des Vorsitzenden des Verbandes und des Regionaldirektors nicht zusammenlegen und höhergruppieren, werden wir keine qualifizierten Bewerbungen erhalten, hieß es. Nichts davon ist eingetreten!

Auch bei den zwei anderen Forderungen der Versammlungsmehrheit – Zuständigkeit für das Zielabweichungsverfahren und den gesamten ÖPNV in der Region – sieht es für die Fraktionen, die diese Projekte betreiben, nicht gut aus. Es wird wohl im Wesentlichen alles beim Alten bleiben. Weil die jetzige Lösung vernünftig ist. Was nicht heißt, dass sie nicht verbessert werden kann. Mehr Flexibilität bei der Planung und mehr Transparenz bei den Fahrgeldeinnahmen und Fahrtkosten stehen bei meiner Fraktion hoch im Kurs.

Aber es war Hybris, zu glauben, das Land werde wegen des Verbandes Region Stuttgart eine Verwaltungsreform lostreten. Beim ÖPNV zeichnet sich ein Ergebnis ab, das wir von der FDP-Fraktion für vernünftig halten: Es soll kein regionales „Grundangebot“ – das Zauberwort der Regio-Expansionisten – geben, aber es sollen ÖPNV-Mindeststandards eingeführt werden. Das heißt, die Leute, die eine Nacht-S-Bahn benutzen, sollen nach Hause kommen, aber wie kann vor Ort geregelt werden.

Das heißt auch, es wird wohl keine Änderungen bei der Aufgabenträgerschaft der Busverkehre geben. Aber die Region wacht künftig darüber, dass bestimmte Ansprüche an das Angebot der Landkreise erfüllt werden. Das ist grundsätzlich vernünftig. So kann aus dieser Diskussion etwas Positives für die Region erwachsen.

Meine Damen und Herren,

„Der Berg kreißte und gebar ein Mäuschen“ – mit dieser Horaz’schen Wendung lässt sich die Diskussion des Sommers zusammenfassen. Wir sollten daraus lernen, die Region so zu sehen, wie sie seit ihrer Geburt ist: Wenn ich auf die Geburtsstunde der Region in den damaligen Kreißsaal vor 20 Jahren zurückschaue, sehe ich eine Zangengeburt der Großen Koalition im Land: Eine Region wird geboren, die begrenzte Kompetenzen hat, aber bewusst mit einer direkt gewählten Regionalversammlung unterfüttert wird.

Die Absicht der Väter der Region: Die direkt Gewählten werden sich für wichtig halten und nehmen und beharrlich dafür sorgen, dass sie mehr Kompetenzen erhalten. Fernziel: Ein Regionalkreis statt der fünf Landkreise und der Stadt Stuttgart.

Mit seiner Geburt bekam das Kind Region damit sechs Feinde und holt sich seitdem eine blutige Nase, wenn es den anderen Kindern seinen Willen aufzwingen will. Schroff zurückgewiesen haben die Kreistage das Ansinnen der Region, die Busverkehre zu übernehmen – vernichtend waren die Stellungnahmen der CDU- und SPD-Kreistagsfraktionen, ja teilweise sogar der Grünen (siehe Kreistag Ludwigsburg). Manch bemitleidenswerter Regionalrat mit Doppelmandat in Regionalversammlung und Kreistag aus diesen Fraktionen musste eine Art Zwei-Naturen-Lehre bemühen, um sein gegensätzliches Abstimmungsverhalten in den Gremien zu erklären.

Wie wäre es, wenn die Versammlung daraus lernt und sich endgültig vom Geburtsfluch der Region verabschiedet? Wie wäre es, wenn es in dieser Versammlung künftig nicht um immer Mehr ginge, sondern sie die Arbeit gut macht, für die sie da ist? Wie wäre es, wenn wir gleich damit anfangen, denn demnächst wird es eine neue Regionalversammlung geben und die soll einen aufgeräumten Arbeitsplatz und vernünftige Beschlüsse vorfinden.

Die Energiewende und die erneuerbaren Energien geben dem Verband in unserer dicht besiedelten Region eine Aufgabe und Bedeutung, die es vorher in der Regionalplanung so nicht gegeben hat. Der Ausbau der erneuerbaren Energien und der Landschafts- und Naturschutz kollidieren. Der Verband ist als Abwägungsebene gefragt wie nie. Hier müssen wir zeigen, was wir können und dass wir es können. Und da diese Abwägungsentscheidungen immer im Detail strittig sein werden, ist es gut, dass der Verband mit einer direkt gewählten Regionalversammlung unterfüttert ist. Wir vertreten die Interessen der Bürgerinnen und Bürger. Wir sorgen für den vernünftigen Interessenausgleich.

Meine Damen und Herren,

in Michael Endes „Jim Knopf“ kommt der Scheinriese Turtur vor – er scheint nur aus der Ferne groß, aus der Nähe betrachtet ist er auch nicht viel größer als Jim Knopf. Manchmal denke ich, die Regionalversammlung hat einen Scheinriesenkomplex. Dabei gibt es genug zu tun: Zeigen wir Kompetenz durch ein überzeugendes Management der Regionalplanung, bei den erneuerbaren Energien, der S-Bahn und der Wirtschaftsförderung.

Unsere Anträgen zum Haushalt orientieren sich an diesem Ziel: Wir haben mit unserem Antrag „Regionalplan Erneuerbare Energien“ bewusst im Sinne „Unsere Stärken vertiefen“ einen Stein ins Wasser geworfen. Uns ist bewusst, dass wir damit der Entwicklung voraus sind und damit die Region im Moment überfordern. Aber für uns ist es die Richtung, in die wir gehen müssen. Und wenn die Verwaltung argumentiert, sie sehe „derzeit“ kein Erfordernis und die „laufenden Verfahren (seien) zunächst abzuschließen“, signalisiert sie ja, dass sie in eine ähnliche Richtung denkt.

Dass unser Antrag zu den Windkraftanlagen und der Kritik an der Vorgehensweise des Landes im Wesentlichen angenommen wurde, zeigt, dass diese Versammlung vernünftigen Argumenten folgt. Dafür möchten wir uns ausdrücklich bedanken, insbesondere bei den Fraktionen von Grün und Rot, denen Kritik an der Drohkulisse des Landesministeriums für Verkehr und Infrastruktur hinsichtlich der Durchlöcherung unserer Grünzüge sicher nicht leicht fällt.

Gilt es hier Extremen auf Seiten der Landesregierung – der Aufgabe des Landschaftsschutzes zugunsten der Windkraft – zu wehren, so weisen wir mit unserem heutigen Antrag zu den Ergebnissen der Koalitionsverhandlungen darauf hin, dass die künftige Bundesregierung möglicherweise alles in Frage stellt, was der Regionalverband in den letzten Monaten erarbeitet hat. Das Pendel schlägt zu Ungunsten der Windkraft aus. Vielleicht ringen sich die Sozialdemokaten beim anstehenden Mitgliedervotum ja auch hier zum mutigen Protest gegen die eigenen Leute durch.

Das Thema „Kleine Wasserkraft“ wird aus unserer Sicht immer noch unterschätzt. Wir sehen in dieser grundlastfähigen Energieerzeugung durch die neuesten technischen Entwicklungen Potenzial. Wir kündigen an, dass wir an diesem „dicken Brett“ weiterbohren werden.

Im Verkehrsausschuss haben wie den Antrag der Freien Wähler unterstützt, die Verkehrsumlage um 10 Mio. € zu senken. Auch wir sind der Meinung, dass ein umlagefinanzierter Verband keine riesigen Rücklagen aufbauen muss. Auch an diesem Brett wird weiter gebohrt werden. Der Argumentation der SPD, der Bürger interessiere sich nicht für eine Umlagediskussion, kann ich nicht folgen: Die Region holt die Umlage bei den Kreisen, diese bei den Gemeinden. Es ist Geld, dass den Gemeinden für die dringend notwendigen Maßnahmen beim Ausbau der Kinderbetreuung fehlt. Das interessiert die Bürger sehr wohl!

Der Umgang mit verschiedenen Anträgen im Verkehrsausschuss und im WIV ließ uns schmunzeln: Wurde letztes Jahr bei den Haushaltsberatungen die Verwaltung kritisiert, weil sie mit der Formulierung „Zustimmung unter folgender Maßgabe“ eigentlich eine Ablehnung als Zustimmung kaschierte, handelte sie dieses Jahr andersherum: Mehrfach lesen wir: „Keine Zustimmung. Alternativer Vorschlag der Geschäftsstelle“. Da der alternative Vorschlag aber meist Kerngedanken des Antragstellers enthält, kann man dieses Jahr sagen, die Verwaltung kaschiert Zustimmung als Ablehnung.

Mit der „zustimmenden Ablehnung“ unserer Anträge zum elektronischen Fahrgastmanagement, zu den Entschädigungsregelungen und den Notfallsäulen sind wir daher ganz zufrieden. Sie bleiben alle auf der Tagesordnung. Das wollten wir erreichen. Mit den Bürgerbussen verhält es sich wie mit der kleinen Wasserkraft: Steter Tropfen höhlt den Stein – das kündigen wir an.

Dass die wirtschaftliche Dynamik in Baden-Württemberg zu wünschen übrig lässt, hat jetzt McKinsey gezeigt. Auf die Region Stuttgart trifft das verschärft zu. Daher halten wir eine Analyse zur Verfügbarkeit von Risikokapital am Standort für notwendig. Risikokapital ist die Brücke zwischen Idee und Innovation. Und für Innovationen müssen wir in der Region Rahmenbedingungen schaffen, sonst sind wir bald Getriebene.

Dass wir uns in diesem Punkt alle einig waren, bestätigt mich darin, dass diese Region ausreichende Möglichkeiten hat, die Entwicklung positiv zu beeinflussen. Zusammengerechnet hat der Verband in wesentlichen Punkten richtige Schwerpunkte gesetzt. Die Antragsberatungen waren konstruktiv. Das zeichnet diesen Verband ganz eindeutig aus. Die Arbeit der Fraktionen und Gruppen wird ernst genommen. Allerdings wäre es schön, wenn die Anträge der letzten Jahre noch weitestgehend in dieser Wahlperiode abgearbeitet werden könnten. Daran erinnert unser Antrag zur Antragsbehandlung, der auf ihren Tischen liegt.

Doch wie gesagt, unter dem Strich sind wir zufrieden, denn unter dem Strich hat meistens die Vernunft gesiegt: Deswegen wird die FDP-Fraktion dem Haushalt 2014 des Verbandes Region Stuttgart zustimmen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

 

Der Berg kreißte und gebar ein Mäuschen

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