Am 24. Oktober 2018 habe ich nachfolgende Rede zum Haushalt 2019 des Verbandes Region Stuttgart in der Regionalversammlung gehalten:
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
der Haushalt der Region für 2019 bietet beeindruckende Zahlen, aber auch ein paar Pferdefüße. Der Teufel, den man in der Tradition am Pferdefuß erkennt, das ist der Durcheinanderwerfer, Verwirrer, Faktenverdreher, wenn wir seine griechische Bezeichnung Diabolos ins Deutsche übertragen. Und bei unserem Haushalt steckt der Teufel bekanntlich im Detail.
Ist im Haushalt etwas Durcheinander geworfen, ist etwas verwirrend, sind Fakten verdreht? Nun wir haben beispielsweise den Fakt, dass wir nicht so genau wissen, ob die Landesregierung den Verband Region Stuttgart nicht etwas über den Tisch gezogen hat. Wobei sich dieses „Etwas“ durchaus im Millionenbereich bewegen kann. Dabei geht es um die Leistungen der Region insbesondere im S-Bahn- und ÖPNV-Bereich. Um es vereinfacht auszudrücken: Leistungen, die erbracht werden, um Fahrverbote zu verhindern, begrüßen wir. Das heißt aber nicht, dass die in Form der Verkehrsumlage zu Lasten unserer 179 Kommunen gehen dürfen, wenn eigentlich das Land dafür zahlen müsste.
Das möchten wir, weil hier der Teufel ganz besonders im Detail steckt, gerne rückwirkend bis zum berühmten ÖPNV-Pakt geklärt haben und haben einen entsprechenden Antrag gestellt.
Wir hätten aber gerne auch deswegen eine belastbare gutachterliche Aussage über die Kostenverantwortlichkeit, weil beispielsweise die Fragen anstehen, ob wir ETCS beschaffen, ob wir zusätzliche Züge kaufen, ob wir vielleicht in ein paar Jahren eine zusätzliche Stammstrecke brauchen.
Ich zitiere eine Unterlage der DB aus dem Jahr 2016, die klar gemacht hat, dass von ETCS keine Wunderdinge zu erwarten sind. Damals hieß es: „Durch ETCS kann die Mindestzugfolgezeit um 7 Sekunden beziehungsweise 12 Sekunden gesenkt werden, was einer Steigerung der theoretischen Leistungsfähigkeit von fünf beziehungsweise neun Prozent entspricht.“ Verwirrend ist, wenn dann der Regionalpräsident in der Stuttgarter Zeitung mit dem Satz zitiert wird: „Eine zweite Stammstrecke für die S-Bahn durch Stuttgart sei kaum bau- noch finanzierbar und werde durch die digitale
Steuerung (Herr Bopp meint das ETCS) obsolet …“ Statt 26 Züge also 28 Züge in der Stunde und das soll die S-Bahn-welt auf immerdar retten? Auch wenn neuere Zahlen angeblich bessere Werte bescheinigen, passt da etwas nicht zusammen. Herr Bopp versucht die Diskussion um eine Zweite Stammstrecke tot zu treten und die Stuttgarter Zeitung folgt heute seiner Vorgabe im Kommentar. Aber so einfach lassen wir uns nicht abspeisen. München hat die Entscheidung für die zweite Stammstrecke getroffen und auch wir müssen uns mit dem „Fluch des Erfolgs“ auseinandersetzen und diese Option gründlich prüfen. OB Kuhn wird heute richtig in der Stuttgarter Zeitung zitiert mit der Bemerkung, der VVS „wächst … fast doppelt so stark wie andere Verkehrsverbünde“. Dieses Wachstum ist langfristig schneller und fordert mehr Ausbaukapazitäten als die Kapazitätsgewinne durch S21 und ETCS realisieren. Wir halten es für illusorisch, sich auf ETCS auszuruhen und diese Signaltechnik gegen die Zweite Stammstrecke in Stellung zu bringen. Langfristig müssen sich solche Maßnahmen ergänzen und nicht ausstechen.
Wir sehen dabei die Ursache für den Einsatz von ETCS eindeutig in der Verkehrs- und Schadstoffsituation in Stuttgart, die das Land zu verantworten hat. Das Land hat im Zuge der Luftreinhaltepläne, die jetzt für Stuttgart kommen und für Ludwigsburg, Backnang, Esslingen und andere Städte garantiert auch fällig werden, die Lage zu bereinigen. Da kann beispielsweise auch ein P+R-Ausbau in Fellbach helfen, der Menschen aus dem Rems-Murr-Kreis oder dem Ostalbkreis davor bewahren kann, ihre Euro-4-Diesel verschrotten zu müssen, in Fellbach können sie direkt in die Stuttgarter Zone des VVS einsteigen, eine Gelegenheit, die genutzt werden sollte, um die ÖPNV-Nutzung zu stärken.
Wir sehen aber keine Veranlassung, die mit den genannten Maßnahmen verbundenen Kosten aus regionalen Mitteln zu bezahlen, sondern wir sehen das Land in der Pflicht. Das gilt auch für die Beschaffung der notwendigen Züge, damit die fahrverbotsbedrohten Dieselfahrer und andere Pendelnde umsteigen können. Es ist Sache des Landes für ausreichende Transportkapazitäten für die Menschen zu sorgen. Und was das Thema „braucht man nicht, sparen wir uns“, angeht, haben wir mit dem Heslacher Tunnel ein warnendes Beispiel vor Augen. Die Zeche zahlt am Ende der Mensch in Form von Lebenszeit, die er durch Stau und Verspätungen verliert, auf der Schiene wie auf der Straße.
Der „Mensch im Mittelpunkt“ ist eine Devise, die wir mit unseren weiteren Anträgen befolgen wollen. Mal abgesehen von der Kapazitäts- und Kostendiskussion haben wir bei S-Bahn- und ÖPNV bessere Ausstattung und mehr Sicherheit in und an den Zügen im Sinn. Wir haben uns dabei umgeschaut, wie es andere machen. Im Antragspaket finden Sie unsere Vorschläge für den ÖPNV.
Ein Modellprojekt Lieferlogistik soll einen innovativen Ansatz ausloten, wie Liefer- und Abholmodelle in der Zukunft aussehen können, die tatsächlich den Autoverkehr senken. Unser Ziel ist aber auch die Region und die Leistung der Regionalversammlung den Menschen näher bringen – durch Besuchsangebote, in Papier und per sozialen Medien. Wir möchten das ja schon seit mehreren Jahren – aber jetzt steht ein Ereignis vor der Tür, dass dem ganzen Schwung verleihen könnte: die Regionalwahl!
Und da müsste es doch mit dem Teufel zugehen, wenn nicht allen klar würde, wie wichtig eine Leistungsbilanz der zu Ende gehenden Amtszeit in übersichtlicher Form für den kommenden Wahlkampf ist und eine Darstellung der Arbeit und der Arbeitenden in der Geschäftsstelle – damit nicht irgendwer auf Teufel komm raus die Fakten verdreht, der mit der Region nichts am Hut hat, aber gern Seelen, pardon, Stimmen fangen möchte.
Viel Dank für Ihre Aufmerksamkeit und vielen Dank an die Teufelskerle in der Verwaltung, die den Haushaltsentwurf aufgestellt haben.