451 n.Chr. waren die Vertreter der Christenheit der ewigen Streitereien über die Natur Christi – mehr Mensch oder mehr Gott – und sein Verhältnis zu Gottvater satt und luden zu einem Konzil nach Chalkedon, wo der Formelkompromiss „wahrer Gott und wahrer Mensch“ und „unvermischt und ungetrennt“ gefunden wurde, der nichts klärte aber die Situation befriedete und die Einheit der Kirche wieder herbeiführte. Der seltene Fall eines erfolgreichen Formelkompromisses.

Bei der Stellungnahme des Remsecker Gemeinderates zum Maßnahmenkatalog des Landes bez. Straßenbau wird man an Chalkedon erinnert. Seit über einem Jahrzehnt streiten die Remsecker Parteien um den richtigen Neckarübergang bei Aldingen: Andriofbrücke (CDU, FW und FDP) gegen Billingerbrücke (Grüne, SPD). Nun strich die Landesregierung die Neckarquerung bei Aldingen ganz aus ihrem Maßnahmenkatalog der wenigen noch zu bauenden Landestraßen, ist überraschenderweise aber bereit, die Hochberger Neckarbrücke in ferner Zukunft neu zu bauen, womit niemand in Remseck gerechnet hatte. Nebenbedingung: Die dringend und kurzfristig benötigte Ertüchtigung der alten Hochberger Brücke mit einem Fußgänger- und Radfahrerüberweg fällt ins Wasser, da langfristig ja vielleicht eine ganz neue Brücke kommt und man dann nicht kurz- oder mittelfristig in die alte investiert. Das nennt man wohl Konzentration auf die Taube auf dem Dach. Der Fall Remseck erinnert an die Diskussion in Winterbach und Allmersbach, wo sich die Kommunalpolitiker vor Ort die Augen rieben, als die dort längst nicht mehr gewollten Ortsumfahrungen plötzlich im Maßnahmenkatalog des Landes für Straßenneubauten erschienen.

In der Diskussion um die Stellungnahme des Gemeinderates zur Absicht des Landes war für die FDP klar: 1. Die Fußgänger- und Radfahrerquerung in Hochberg hat Vorrang, 2. Die Neckarquerung bei Aldingen darf nicht unter den Tisch fallen, 3. Ein einheitliches Votum des Gemeinderates ist anzustreben, um dem Remsecker Anliegen beim Land Gewicht zu geben. Und so wurde im Rat um Kompromisse gerungen: Wird die neue Hochberger Brücke „begrüßt“ oder nur „zur Kenntnis“ genommen, werden eine oder zwei Brücken bei Aldingen gefordert, liegen diese zwischen der Neuen Mitte und dem Klärwerk Mühlhausen oder nur „neckaraufwärts“ der Neuen Mitte oder „westlich“ der Neuen Mitte … Nach vielem hin und her wurde schließlich ein Kompromiss formuliert, der erstmals seit einem Jahrzehnt den Rat in Verkehrsfragen wieder einheitlich votieren lässt: „Aus Sicht der Stadt Remseck am Neckar hat die Verbesserung der untragbaren Situation für Fußgänger und Radfahrer über die Neckarbrücke Hochberg absolute Priorität. … Remseck … erwartet vom Land zeitnah Lösungsvorschläge für die Entlastung der Neckarbrücke Neckarrems … Die Stadt sieht weiterhin den dringenden Bedarf einer weiteren Neckarquerung westlich des Planungsbereiches Neue Mitte zur Lösung der regionalen Verkehrsprobleme.“ Die FDP ist sehr froh über diesen Schulterschluss und hat sich für eine Formulierung, die einstimmig getragen werden kann, ins Zeug gelegt. Möge der Formelkompromiss so erfolgreich sein wie die Formulierungen von Chalkedon.

 

 

Remseck: Gemeinderat in Konzilsstimmung

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