??????????„Maximalkulisse“ – das war seit 2011 das Schlagwort, unter dem die Strategie der Windkraftplanung in der Region Stuttgart lief. Die Planer um den Technischen Direktor Thomas Kiwitt hatten zunächst bis Juli 2012 96 mögliche Vorranggebiete für Windkraftanlagen in der Region Stuttgart identifiziert. Ein Jahr später im Juli 2013 waren es dann noch 75 Standorte, die nach umfangreichen Prüfungen zu Landschaftsschutz,  Tiefflugkorridoren und Flugsicherung noch übrig blieben. In der Folgezeit sind ein paar ursprünglich gekippte Standorte wieder ins Verfahren gekommen, so dass aktuell 85 Areale verhandelt werden. Offen blieb bis in den Sommer 2014, ob 15 Standorte in der Umgebung des Wetterradars bei Geislingen-Türkheim und 22 von der Flugsicherung monierte Plätze im Windkraft-Konzept bleiben dürfen. Nun hat das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur entschieden, dass die Frage, ob diese Standorte mit Wetterradar und Flugsicherung kollidieren, erst im konkreten Genehmigungsverfahren zu klären sei und die Regionalplanung nicht betreffe. Die Standorte bleiben also im Konzept drin, auch wenn der Vorgang  seltsam anmutet: Ein Windkraftinvestor soll zunächst teure Gutachten zu einem Standort einholen, um dann zu erfahren, dass es nicht geht und er das Geld leider in den Sand gesetzt hat. Durch die Regionalplanung wäre da eine frühzeitigere größere Investorensicherheit gewährleistet gewesen.

Nun sind noch zwei regionalplanerische Prüfungen vorzunehmen: 29 Standorte liegen in europäischen Vogelschutzgebieten und Gutachter müssen klären, ob bedrohte Arten gefährdet sind. Außerdem liegen 24 Standorte tief in Landschaftsschutzgebieten und es muss bei den Landratsämtern eine Abwägung nach dem Bundenaturschutzgesetz vorgenommen werden, ob Windräder dort verträglich sind. Besonders das Letzte kann dauern.

Bisher sprach die Regionalverwaltung immer von einer „verfestigten Planung“, die der Regionalversammlung zum Schluss für die Beschlussfassung vorgelegt wird. Man ging davon aus, dass am Ende eines trichterförmigen Ausschlussverfahrens vielleicht 70 Standorte übrig bleiben, die dann so von der Regionalversammlung beschlossen werden. Das Ziel war, nach einer gründlichen Durchforstung der gesamten Region alle Standorte, bei denen rechtssicher Windkraftanlagen errichtet werden könnten, zu erfassen und damit beim Thema für die nächsten 20 Jahre Ruhe zu haben. Im Gegensatz zu den übrigen Regionalverbänden in Baden-Württemberg praktiziert der Verband Region Stuttgart somit ein Ausschlussverfahren. Die anderen Regionalverbände haben Positivlisten von möglichen Standorten beschlossen und deren Zahl auch aus politischen Gründen begrenzt. Im Ergebnis werden in den anderen Verbänden viel weniger Standorte ausgewiesen als in Stuttgart. Das habe ich im Sommer im Planungsausschuss kritisiert (mehr hier) und gefragt, warum gerade wir als Ballungsraum die meisten Standorte ausweisen. In der Planungsausschusssitzung am 24.10.2014 habe ich diese Kritik wiederholt (mehr hier). Hierüber berichteten die Stuttgarter Nachrichten am 23.10.: „Die Kritik von Kai Buschmann (FDP), „warum gerade wir das meiste ausweisen, wo wir doch die am dichtesten besiedelte Region Baden-Württembergs sind“, kontert Kiwitt: „Wir treten mit allen möglichen Flächen an, bei denen keine zwingenden Ausschlussgründe vorliegen. Die Frage, wie viele Standorte wir uns leisten wollen, gehört in Ihre Hände.“ Als „Konter“ habe ich diese Reaktion Kiwitts gar nicht aufgefasst, sondern vielmehr als überraschendes Zuspiel. Kiwitt legt nach seiner abschließenden Gebietsprüfung die Verantwortung für die Zahl der Standorte in die Hand der Regionalversammlung und lässt damit erstmals die Frage offen, ob wirklich die „Maximalkulisse“ verabschiedet wird. Die Regionalversammlung hat es nun in der Hand angesichts unseres dicht besiedelten Raumes die Frage zu stellen, wie viele Standorte die Region verträgt. Hier erscheint mir ein mittlerer Weg angesagt: Die Region muss und wird ihren Beitrag zur Energiewende leisten. Da die Landesregierung aber für die Zielerreichung 1200 neue Windräder in Baden-Württemberg aufstellen will, ist die Frage erlaubt, wie viele davon in der Region Stuttgart stehen müssen. Setzt man eine durchschnittliche Besetzung eines Vorranggebietes mit drei Windrädern an, ergeben sich bei 85 Standorten im Moment theoretisch 255 Windräder. Warum sollte gerade der dichtbesiedelte Regionalverband Stuttgart als einer von 12 Verbänden im Land einen solchen überproportionalen Beitrag leisten, zumal der Wind in der Region bedingt durch den Windschatten des Nordschwarzwaldes nur vergleichsweise schwach weht? Thomas Kiwitt hat eine neue Ebene der Diskussion eröffnet: Die politische Abwägung. Und damit hat er zumindest die Möglichkeit in den Raum gestellt, dass auch von der Maximalkulisse abgewichen wird. Spannend wird es nun sein zu sehen, wie sich die anderen Fraktionen dieser Verantwortung stellen. Ob sie diese Wende auf leisen Sohlen schon bemerkt haben?

Politische Abwägung bei Windrädern: Die Wende auf leisen Sohlen

Ein Kommentar zu „Politische Abwägung bei Windrädern: Die Wende auf leisen Sohlen

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