Am 11. Oktober 2013 wurde das Denkmal für die Gefallenen und Vermissten der beiden Weltkriege auf dem neuen Friedhof in Neckarrems eingeweiht. Das auch „Kriegerdenkmal“ genannte Monument wurde in seinem ersten Teil 1920 an der heutigen Landstraße nach Hegnach errichtet und 1954 dort auch um die Namen der Gefallenen und Vermissten des Zweiten Weltkrieges ergänzt. Im März dieses Jahres fiel der Gemeinderatsbeschluss, das Denkmal zu restaurieren und auf dem Neuen Friedhof wieder aufzurichten, um ein würdiges Gedenken zu ermöglichen. Diese Absicht ist nun umgesetzt: Der Ort überzeugt und die Restaurierung ist sehr gut gelungen.

Die FDP-Fraktion hatte im März auf meine Initiative einen Antrag eingebracht (hier), das Ehrenmal Neckarrems durch eine Informationstafel zu ergänzen, welche die historische Einordnung des Denkmals vornimmt. Dies ist erfolgt. Dafür sagen wir Danke. Am Zugang des Denkmals steht die sehr schön gestaltete Tafel, die die Hintergründe der „Mahn- und Erinnerungsstätte“ erläutert. Wer die Namenslisten der jungen Männer durchgeht, steht vor einer Liste „abgebrochener Leben“. Diese Männer standen noch am Beginn ihres Lebens und wurden aller ihrer Hoffnungen, Erwartungen und Wünsche an ihre eigene Zukunft durch den Krieg beraubt. 1920 hat man diesem Schrecken mit der Formulierung „Sie starben für das Vaterland“ einen Sinn geben wollen. Heute ist das Ehrenmal auch eine Mahnung an uns: „Nie wieder!“

Mein Anliegen war es, dass ein Ehrenmal, das mit dem Eisernen Kreuz auf der Spitze und der Inschrift „Sie starben für das Vaterland“ versehen ist, nicht völlig kommentarlos aufgewertet wird. Dies könnte als distanzlose Übernahme der Deutung des Sterbens im Krieg als sinnstiftender Heldentod missverstanden werden. 1920 war das zeitgebunden verständlich, heute steht der Mahncharakter eines solchen Denkmals im Vordergrund.

Ich bin hier nicht nur als Historiker vielleicht etwas sensibler, sondern auch deshalb, weil ich schon zweimal Debatten um Ehrenmale für Kriegstote miterlebt habe: 1992 am Evangelischen Stift in Tübingen. Damals zogen die Stiftstudierenden der Evangelischen Theologie nach der Komplettrenovierung des Hauses wieder in das Studienwohnheim ein und erregten sich über eine alte Namenstafel der in den Weltkriegen gefallenen Theologiestudierenden im Stiftshof. Diese war mit demselben Schriftzug wie das Neckarremser Ehrenmal versehen: „Sie starben für das Vaterland“. Die Studenten forderten fast einmütig die sofortige Entfernung des Ehrenmals, weil es wegen des Schriftzuges „kriegsverherrlichend“ sei. Ich war damals Repetent (Studienleiter) am Stift und habe mich in einer Vollversammlung der über hundert Hausbewohner für den Erhalt der Tafel als Zeitzeugnis eingesetzt. Dafür erntete ich Buh-Rufe und man verortete mich kurzerhand am rechten Rand des politischen Spektrums. Tübingen war eben schon immer ein besonderes Politbiotop. 1994 erlebte ich als Reutlinger Bürger die Auseinandersetzung um die Errichtung eines neuen Ehrenmals für die Weltkriegstoten auf dem Reutlinger Friedhof. Als ich mich an der heftigen Leserbriefschlacht im Reutlinger Generalanzeiger mit einem eigenen Beitrag am 26.1.1994 unter der Überschrift „Motive von Befürwortern und Gegnern ernst nehmen“ beteiligte, wurde ich dieses Mal von rechts angegriffen. Ich hatte im Leserbrief den Mahncharakter eines solchen Ehrenmals als sinnvoll betont, aber bei den Kriegstoten des Zweiten Weltkrieges die Formulierung „Sie starben für das Vaterland“ abgelehnt, weil dieses Vaterland das NS-Regime war, das einen Angriffskrieg führte. Empörte Reaktionen in der Zeitung und in meinem Briefkasten waren die Folge, dass die „Sinnstiftung der Mahnung“ eine Herabsetzung der Toten sei. Nach allem, was die historische Forschung in den letzten Jahren über die Verstrickung der Wehrmacht in Kriegsgräuel und in die Massenvernichtung der Juden zutage gebracht hat, halte ich solche distanzlose Formulierungen aber mehr denn je für problematisch.

Diese beiden Erfahrungen haben mich sensibilisiert. Der Fortgang der Zeit desensibilisiert aber auch. 2013 gab es keine großen Diskussionen um die Neuverortung des Ehrenmals in Remseck. Es ist auch gut so, dass wir heute mehr Distanz zu den dunklen Seiten unserer Geschichte haben und die heutigen Deutschen nicht mehr in Schulddiskussionen verstrickt sind. Als Mahnung steht uns die deutsche Geschichte des 20. Jahrhundert mit zwei Weltkriegen, Vertreibung und deutscher Teilung aber in solchen Ehrenmalen vor Augen: Nie wieder!

 

 

Nie wieder!

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