Am 25.9.2013 habe ich zum Kompetenzen-erweiterungsbegehren von SPD/Grüne/CDU in der Regionalversammlung folgende Rede gehalten:

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Die Stuttgarter Zeitung vom Dienstag mit ihrer Überschrift „Vorerst kein Superdirektor“ –gehörte zu den Lichtblicken des Tages bei der Zeitungslektüre. Ich freue mich zusammen mit meiner Fraktion, wenn die Kollegen von der CDU vorsichtig mit ihrem Änderungsantrag vom „Superdirektor“ abrücken und ich will zum Auftakt den Satz aus dem Juli der FDP zitieren, „zur Frage, ob die Region einen Chef braucht, gibt’s bei der FDP die Antwort „nein“. Der „Super-Direktor“ ist nicht unbedingt das liberale Ideal. Es sei denn, er würde direkt vom Volk gewählt. Dann ließe sich über eine Neustrukturierung des Verbandes reden.“ An dieser Position hat sich seitdem nichts geändert.

Grüne und SPD haben mit ihrer Initiative „Den Verband Region Stuttgart problem- und aufgabenorientiert stärken“, wie der gemeinsame Antrag überschrieben ist, sicher die besten Absichten. Es ist auch sicher nicht so, dass sich die FDP dem Anliegen, den Verband problem- und aufgabenorientiert zu stärken, verschließen wird.

Aber bei genauem Hinsehen, ist der vorliegende Antrag ein Sammelsurium aus drei Punkten. Da ist zunächst der Super-Direktor. In welcher Form soll er die Region stärken? Aus unserer Sicht wird er die Region eher schwächen. Denn er konzentriert die Macht, die bisher aus gutem Grund auf zwei Schultern verteilt ist. Stellen wir uns vor, wir hätten die Kombination Bopp/Wopperer nicht gehabt. Was hätten wir dann in den vergangenen Monaten gehabt? Das Chaos.

Wir haben in den letzten Jahren die Kombination aus Vorsitzendem und Verbandsdirektor als gut empfunden. Wir schätzen die Diskussionskultur v.a. in den Ausschüssen sehr. Ein Superdirektor wäre nicht nur eine von den Antragstellern erhoffte „starke Person“ nach außen, insbesondere gegenüber den Landräten, sie wäre vor allem auch eine starke Person nach innen und würde die politische Kultur in den Gremien nachhaltig verändern. Seit 2009 habe ich x Beispiele erlebt, in denen die Verwaltung in den Ausschüssen etwas durchsetzen wollte und der Vorsitzende erkannte, dass es dafür im Gremium keine oder unsichere Mehrheiten gibt. Herr Bopp ist Vorsitzender des Verbandes und Regionalrat. Er denkt auch aus der Perspektive der Regionalräte und hat dann die Interessen im Ausschuss mit denen der Verwaltung ausgeglichen. Mit einem Superdirektor können sie das langfristig vergessen, denn der wird versuchen, mit allen Mitteln seine Interessen durchzusetzen, so wie das Oberbürgermeister mit ihren Gemeinderäten tun. Wenn sie so eine Selbstbeschneidung und eine Aufgabe unserer guten politischen Kultur wollen, dann stimmen sie dem Antrag zu. Wir tun das nicht – aus Wertschätzung für die Arbeit der demokratisch gewählten Gremien.

Wir wären allenfalls für eine Variante ansprechbar, die in die Volkswahl des Regionaldirektors mündet. Dann wäre ein solches starkes Auftreten eines Regionaldirektors nach innen und außen durch das Volk legitimiert und der Regionaldirektor wäre so stark wie die Versammlung.

Ich darf aber feststellen, dass unsere Argumente pro Doppelspitze verfangen. Das Umschwenken im Wirtschaftsausschuss am Montag wird in der Stuttgarter Zeitung so beschrieben, „wenn das Land dem Verband tatsächlich die Kompetenz für den regional bedeutsamen Busverkehr übertrage, dann könne man über die Verbandsspitze sprechen“. Lassen wir mal dahin gestellt, dass es aktuell noch keine Verhandlungsposition gibt, aber was für ein Deal soll denn das sein? „Tausche Doppelspitze gegen Omnibus?“ Daran merken sie, dass die Zusammenhänge zwischen Punkt 1a und 2 ihres Antrages einfach spät konstruiert worden sind.

Womit wir beim Thema ÖPNV wären. Beim ÖPNV würde meine Fraktion durchaus gerne diskutieren, ob die Strukturen noch passen. Entbürokratisierung, weniger Aufwand, mehr Transparenz sind unsere Stichworte. Gibt es hier drin irgendjemand, der das Einnahmezuscheidungsverfahren oder die ganzen Verzweigungen der Finanzierungen im Detail versteht?

Brauchen wir dazu den Gesetzgeber? Kann sein, muss aber nicht sein. Meine Fraktion ist da unterschiedlicher Meinung und wie es liberaler Brauch ist, werden in diesem Fall die Dame und die Herren so abstimmen, wie sie es verantworten können. Einig sind wir uns in der Fraktion dabei aber darin, dass wir kein Einheitssystem wollen, sondern ein den Bedürfnissen der Fahrgäste, der Dienstleister und der örtlichen Gegebenheiten optimal angepasstes. Dafür sind wir nämlich da. Wir müssen die regionalen – aber lokal verschiedenen – Bedürfnisse erkennen und umsetzen.

Die Diskussionen um das Nachtbussystem waren aus unserer Sicht ein trauriges Beispiel dafür, was uns droht, wenn die Vorschreiberitis und die „Empörungskultur“ auf die Region durchschlagen. Was dann zu Schlagzeilen führt, wie „Regionalpolitiker attestieren Landkreisen „Armutszeugnis“, die in den Stuttgarter Nachrichten zu lesen war.

Genaueres Nachforschen hat ergeben, dass die Kreistage in Esslingen und Waiblingen sowie die Gemeinderäte in diesen Kreisen durchaus im Sinne ihrer Bürgerinnen und Bürger mit Augenmaß und verantwortungsbewusst entschieden haben. Die haben in der Tat die lokalen Verhältnisse im Auge gehabt und die sind in Stuttgart, Löchgau, Kirchheim/Teck, Kaisersbach und überall sonst durchaus unterschiedlich. Für Räume mit Kleinstsiedlungsstrukturen ist das Ruftaxi vielleicht die bessere Lösung. Wo sich Gemeinden mit mehr als 2000 Einwohnern gehäuft finden, führt der Nachtbus zur besseren Lösung. Wir dürfen hier nicht alle über einen Kamm scheren und fälschlich behaupten, in der Region hätte jeder die gleichen Bedürfnisse. Das Gegenteil ist richtig und jedes ÖPNV-System, das wir über den jetzigen Stand hinaus aufbauen, muss dem Rechnung tragen. Die Nachtbusdiskussion für eine Zentralisierung der Aufgabenträgerschaft zu instrumentalisieren war ein Bumerang.

Bleibt noch ein Punkt aus der Sammlung. Das Zielabweichungsverfahren. Die CDU hat sich dankenswerterweise mit unserem Argument auseinandergesetzt, dass der Verband keine staatliche Ebene ist. Die rechtliche Prüfung ergibt, ich zitiere, „der Landesgesetzgeber ist befugt, dem VRS die Durchführung von Zielabweichungsverfahren … zu übertragen. Verbandsintern zuständig wäre „de lege lata“ (zu Deutsch nach geltendem Recht) die Verbandsversammlung“, also zumindest nicht der Superdirektor, der über uns schwebt. Nach dieser sehr knappen Expertise! Ob das so stimmt, sei dahingestellt.

Doch die Frage ist vor allem, wollen wir das überhaupt? Wir, die Verbandsversammlung? Oder schwächt das unsere Position eher? Auch die Position der Verbandsverwaltung? Denn wir erinnern uns, Ziel des Antrags ist, den Verband Region Stuttgart problem- und aufgabenorientiert zu stärken. § 24 Landesplanungsgesetz zum Zielabweichungsverfahren legt derzeit fest, „Die höhere Raumordnungsbehörde kann in einem Einzelfall auf Antrag eine Abweichung von einem Ziel der Raumordnung zulassen, wenn die Abweichung unter raumordnerischen Gesichtspunkten vertretbar ist …“ Praxis ist, dass wir, sprich Verbandsverwaltung und Versammlung im Ernstfall einen Kompromiss suchen. Fahren wir damit schlecht? Haben wir ein Problem mit dem Zielabweichungsverfahren für den Bebauungsplanentwurf „Entwicklungszentrum Porsche Weissach“ gehabt? Waren wir nicht stolz darauf, dass bei der Klage gegen die Biogasanlage in Nürtingen das Verwaltungsgericht die Klagebefugnis des Verbandes Region Stuttgart eingehend geprüft und bestätigt hat, dass dieser auch Zielabweichungsverfahren anfechten kann. „Damit“, ich zitiere die Beratungsunterlage von damals „wurde erstmals eine Entscheidung im Rahmen eines Zielabweichungsverfahrens von einem Träger der Regionalplanung einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt. Eine solche Klagebefugnis steht in Baden-Württemberg nur dem Verband Region Stuttgart zu.“

Fahren wir mit dieser Zweiteilung nicht besser? Wir können stellvertretend für die Bürgerinnen und Bürger bei Bedarf gegen einen Zielabweichungsentscheid des Regierungspräsidiums klagen. Setzt sich das RP durch, wie im Falle der Biogasanlage Nürtingen, hat die Regionalversammlung alles in ihrer Macht Stehende getan, aber das Regierungspräsidium ist für die Folgen bei der Umsetzung seiner Entscheidung verantwortlich.

Aus meiner Sicht ein Musterbeispiel für die optimale Verteilung von Macht und Entscheidungsbefugnis. Da stellt sich sogar die Frage, ob wir den Verband nicht schwächen, wenn wir ihm das Zielabweichungsverfahren aufbürden. Dann klagen Bürger, Gemeinden und Firmen gegen den Verband – das kann für das regionale Bewusstsein nicht gut sein.

Überhaupt nicht angesprochen wird in der juristischen Expertise das Thema „Weisung“. Wenn wir „mittelbare Staatsverwaltung“ würden, wären wir auch der Weisung des Ministers für Verkehr und Infrastruktur unterworfen. Wenn Sie einen Minister Hermann wollen, der mit einem Federstrich Beschlüsse der Regionalversammlung aufhebt, dann stimmen Sie heute zu. Wir wollen das nicht.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

 

Tausche Doppelspitze gegen ÖPNV

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