2011 wurde von der Bildungs- und Schulentwicklungsplanung B.R.Ü.C.K.E. unter Umgehung des Gemeinderates das Thema Gemeinschaftsschule für Remseck auf die Tagesordnung gesetzt. Die FDP Fraktion hat sofort mit allen drei weiterführenden Schulen sowie der Grundschule Pattonville Gespräche geführt, um die Möglichkeiten und Chancen einer Gemeinschaftsschule in Remseck auszuloten. Die FDP Fraktion hatte sich vor Weihnachten bereits klar für den Weg einer Gemeinschaftsschule zwischen Wilhelm Keil Werkrealschule und Grundschule Pattonville ausgesprochen, weil das notwendige pädagogische Konzept für heterogene Lerngruppen – wenn überhaupt – ausschließlich in Pattonville vorliegt. Damit war klar, dass die FDP eine Gemeinschaftsschule in Remseck befürwortet, aber nicht über den Weg, die Realschule in Remseck aufzulösen. Genau dies aber war zunächst Inhalt eines SPD Antrages im Gemeinderat am 31.1., dem die Grünen beitraten. Klares Ziel für den der lesen kann: das „Aus“ der Schulart Realschule. Dort hieß es nämlich, dass die Sekundarstufe I (Klassen 5-10) in Remseck künftig nur noch an Gemeinschaftsschulen und dem Gymnasium angeboten werden soll – also nicht mehr an der Realschule, die genau aus den Klassenstufen 5-10 besteht. Das war keine „unglückliche Formulierung“ wie die LKZ berichtete, sondern wohlweislich so formuliert worden.

Dass die Remsecker Verwaltung in Form des Ersten Bürgermeisters für die Antragsteller den Antrag dann entschärfte und umformulierte, weil er ideologisch weit über das Ziel hinausschoss, ist eine Posse für sich – aber wir haben ja Faschingszeit. Der Oberhammer aber war, dass der neue Verwaltungsantrag als Antrag der SPD/Grünen ausgegeben wurde.

Am Abend der Gemeinderatssitzung lag neben dem ‚rot/grünen Verwaltungsantrag‘ auch ein Antrag der CDU/FDP Fraktionen zur Gemeinschaftsschule vor. Dieser gemeinsame Antrag brachte die Diskussion erst richtig ins Rollen. Im Ergebnis wurde der Beschlussantrag abgeändert, indem der Satz hinzugefügt wurde, dass die Remsecker „Schulen sich bis zum 30.04.2012 erklären sollen, ob sie sich zu einer Gemeinschaftsschule entwickeln wollen“ – Und es wurde auf Antrag der FDP Fraktion der bisherige Hinweis Seite 4 aus dem Begründungsteil der Vorlage dem Antragstext hinzugefügt. Der Hinweis lautet: „Diese Vorlage und daraus resultierende Beschlüsse stehen unter dem Vorbehalt, dass von Seiten der Landesregierung noch keine detaillierten, belastbaren und konkreten Regelungen für die Umsetzung vorliegen.“ Damit war auch der Finanzierungsvorbehalt, der im CDU/FDP Antrag enthalten war, offiziell zum Beschlussantrag erhoben.

Jetzt kann jede Schule frei entscheiden, ob sie sich auf den Weg zur Gemeinschaftsschule macht und wird nicht von ideologisierten Fraktionen im Gemeinderat hierzu gezwungen. Es wäre ja auch blanker Unfug, eine ‚gesunde‘ Realschule zu opfern, nur um eine ‚kranke‘ Werkrealschule zu retten. Denn aus einem Kranken und einem Gesunden wird nicht zwangsläufig ein Gesünderer.

Rätselhaft ist der FDP, von welchem ideologischen Wahn die SPD getrieben ist: Auf der SPD-Veranstaltung zur Gemeinschaftsschule im Remsecker Haus der Bürger wurde von der „Zerschlagung der Ständeschule“ gesprochen. In der letzten Remseck Woche beschreibt die SPD das dreigliedrige Schulsystem als „Ständegesellschaft“ und propagiert als Ziel der Gemeinschaftsschule „mehr Chancengleichheit der Kinder, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft“. Die pure Ideologiegetriebenheit wird schon durch das Ständegerede offensichtlich. Im Ziel Chancengerechtigkeit sind wir Liberalen aber mit der SPD ausdrücklich einig. Nur ist das Mittel „Gemeinschaftsschule“ nach belastbaren pädagogischen Erkenntnissen verfehlt: Die Gemeinschaftsschule muss ein größeres Begabungsspektrum abdecken als die bisherigen Schularten. Die Folge sind heterogenere Lerngruppen. Diese sind nur beschulbar, wenn die Lehrer nun als Lernbegleiter die Schüler mit individuell zugeschnittenem Lernmaterial versorgen. Die neue Hattie-Studie „Visible Learning“ zeigt nun aber, dass gerade schwächere Schüler hiermit weniger klar kommen, weil sie einen aktiven von einer Lehrperson gelenkten Unterricht benötigen. In der pädagogischen Literatur wird das von der SPD propagierte Lernen bereits als „neoliberale Lernkonzepte“ (Michael Felten) gegeißelt, weil es die Guten besser und die Schwachen schlechter macht. Bedenkt man dann noch, dass Deutschland mit seinem gegliederten Schulsystem eine weit unterdurchschnittliche Privatschülerquote hat und in Ländern mit öffentlichen Gemeinschaftsschulen die Gesellschaftsschichten, die es sich leisten können, ihre Kinder in Privatschulen schicken, fragt man sich schon, ob die SPD noch ganz bei Trost ist. Alles spricht dafür, dass bei der Einführung der Gemeinschaftsschule in der Fläche genau das Gegenteil von dem erreicht wird, was die SPD als Ziel propagiert. Die FDP möchte dies nicht.

Das Gemeinschaftsschulemodell funktioniert – wenn überhaupt – nur mit hoch motivierten und engagierten Lehrern an ausgewählten Standorten, da das pädagogische Konzept äußerst anspruchsvoll ist. Es macht Sinn, eine solche Schulform in Remseck im Wettbewerb der Schularten anzubieten. Ein engagiertes Kollegium mit Erfahrung in der Unterrichtung heterogener Lerngruppen gibt es an der Grundschule Pattonville.

Weiterführendes:

John A. Hattie: Visible Learning. A synthesis of over 800 meta-analyses relating to achievement, London / New York 2009.

Michael Felten: Schluss mit dem Bildungsgerede. Eine Anstiftung zu pädagogischem Eigensinn, Gütersloh 2012.

Gemeinschaftsschule statt oder und Realschule in Remseck

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